Eine Braut von stuermischer Natur
seiner Gemahlin jedoch Anselm die breite Treppe hinunter. »Anselm!«, brüllte er. »Haben Godart und Erol meine Gemahlin denn immer noch nicht aufgespürt?«
»Nein, Mylord. Aber ich bin sicher, sie werden Mylady bald finden«, erklärte der Soldat, als er näherkam und neben Balans Ross trat. Sein Blick wechselte von Balan zu Osgoode, dann meinte er gedehnt: »Seid Ihr sicher, dass Ihr ohne Geleitschutz reiten wollt? Ihr könntet ein, zwei unserer Leute mitnehmen.«
»Wir haben keinen Mann zu viel, den wir entbehren könnten«, erinnerte Balan ihn unwirsch. Seit Anselm von seinem Vorhaben wusste, hatte er ihn mindestens sechs Mal mit dieser Frage behelligt. Balan schwante auch, warum. Obschon der Soldat anscheinend die Notwendigkeit der Reise einsah, galt seine Sorge dem Umstand, dass seine Lordschaft mit Osgoode allein aufbrach. Er konnte sich dem Eindruck nicht verschließen, dass Anselm, ebenso wie Murie, Osgoode mit Argwohn betrachteten.
»Da kommt sie«, rief Osgoode und lenkte Balans Blick auf die Tore, die seine Gemahlin soeben aufstieß, ehe sie mit wehenden Röcken über den Schlosshof gelaufen kam.
Zwischen Balans Brauen entstand eine tiefe Falte. »Zum Henker, wo ist sie gewesen?«
Da er nicht mit einer Antwort rechnete, wendete er sein Pferd und ritt eilig an Muries Seite. Er hob sie vom Boden hoch und setzte sie mit einer geschmeidigen Bewegung vor sich auf den Hengst. Noch ehe er seine Frage, wiederholen konnte, begann Murie bereits, sich wortreich zu entschuldigen.
»Ich bin untröstlich, mein Gemahl«, sagte sie und kramte in dem Täschchen herum, das sie bei sich trug. »Ich hatte nicht vor, so lange fortzubleiben, aber ich fand kein Kleeblatt. Gewiss, ich fand Klee, aber mir war an einem vierblättrigen Kleeblatt gelegen. Das sind die wahren Glücksbringer, doch die sind schwer zu finden. Überdies gestaltete es sich schwierig, ein Eschenblatt aufzutun, und als ich endlich eine Esche sah, konnte ich mich nicht mehr an den Reim erinnern, den man zitieren soll, wenn man ein solches Blatt abpflückt. Ich glaube, es lautet: ›Eschenblatt, so ich dich pflück, hoffe ich, du bringst mir Glück. So du mir verwehrst dies Glück, wünsch ich dich an den Stamm zurück‹, doch ich war mir nicht sicher.«
»Frau«, versetzte Balan, als sie innehielt, um Atem zu schöpfen.
»Ja, mein Gemahl?« Sie hörte auf, in dem Täschchen herumzukramen, und schickte ihm einen fragenden Blick.
»Warum steckst du mir Blätter und Zweige in meine sämtlichen Sachen?«, fragte er in einem Ton, den er als äußerst geduldig empfand.
»Es besteht kein Anlass, derart zu schreien, mein Gemahl«, sagte Murie, die sichtlich gekränkt schien. »Das sind allesamt Glücksbringer; Dinge, damit dir das Glück stets hold sein mag. Dieser Zweig da stammt von einer Birke. Er kann den bösen Blick abwenden und hat schützende Kräfte. Und das da ist Holunder, um …«
Balan brachte sie im Überschwang ihrer Ausführungen zum Verstummen, indem er ihren Mund mit seinem bedeckte. Als er seinen Kopf wieder hob, schwieg sie, überwältigt von der Süße dieses Kusses, lediglich ein kleiner Seufzer entwich ihren Lippen. Das genügte, um in ihm den Wunsch aufkeimen zu lassen, seinen Ritt noch eine Weile aufzuschieben. Er könnte Murie in ihr gemeinsames Schlafgemach tragen und ihr etwas geben, ein sinnenhaftes Andenken, an das sie sich während seiner Abwesenheit erinnerte, doch widerstand er der lockenden Versuchung. Wenn er das tat, dann würde er niemals aufbrechen, und die Reise nach Carlisle war vonnöten.
All das, was er besorgen wollte, wurde in Gaynor verzweifelt benötigt. Und wenn er Murie nicht bald von seinem Schoß hob, durchfuhr es Balan, dann stand zu befürchten, dass er sein Vorhaben aufgab. Obwohl ihr Aberglaube und ihr Beharren, Zweige, Blätter und andere Glücksbringer an jede erdenkliche Stelle zu bringen, derer sie habhaft wurde, seine Geduld und Langmut auf eine harte Probe stellten, erwärmte ihm dieser Beweis der Zuneigung das Herz. Und dass sie alles in ihrer Macht Stehende tat, um ihn in Sicherheit zu wissen, sobald er nicht in ihrer Nähe weilte.
Er drückte ihr einen Kuss auf den Haaransatz, umfasste ihre Taille und ließ sie am Fuß der Treppe neben Anselm behutsam zu Boden. Seinen Blick eindringlich auf den Soldaten gerichtet, befahl er: »Gebt auf sie Acht.«
Als der Angesprochene dieses mit einem ernsten Nicken bekräftigte, griff Balan in die Zügel, um seinen Hengst zu den Schlosstoren zu
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