Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Braut von stuermischer Natur

Eine Braut von stuermischer Natur

Titel: Eine Braut von stuermischer Natur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynsay Sands
Vom Netzwerk:
grausiger. Familien zerbrachen, weil Verwandte einander im Stich ließen, Söhne ihre Eltern und sogar Mütter ihre Kinder, bei den ersten Anzeichen eines Hustens oder einer Rötung, aus Angst vor den Vorboten der Pest und aus Furcht vor Ansteckung.
    Naturgemäß wusste Murie dies nur vom Hörensagen. Denn sie und alle, die dem König nahestanden, hatten abgeschirmt in den Mauern von Windsor Castle gelebt, wo die Feste weitergingen und zusehends ausschweifender wurden. Man hätte fast meinen können, dass man bei Hofe keine Ahnung von der Tragik hatte, die sich außerhalb der Palastmauern abspielte … Wäre da nicht die Tatsache gewesen, dass das Thema in aller Munde war und die Lieblingstochter Seiner Majestät, Prinzessin Joan, der Pest erlag. Sie starb mit nur vierzehn Jahren in Bayonne, auf ihrer Reise zu Peter I. von Kastilien, mit dem sie vermählt werden sollte.
    »Meinetwegen«, sagte Murie schließlich. »Fisch über dem offenen Feuer gebraten, das wird den Herren gewiss munden. Hab Dank für deine Mühen. Sobald er von seiner Unterredung mit Anselm zurückkehrt, werde ich mit meinem Gemahl bereden, dass er neues Vieh kauft.«
    Clement nickte steif und ging dann zu einer Tür, die vermutlich in die Küche führte.
    Nach längerem Schweigen trat Gatty vor und straffte die Schultern. »Seine Lordschaft hat mich angewiesen, mit Euch einen Rundgang zu unternehmen. Wo möchtet Ihr gern beginnen, Mylady?«
    Murie winkte milde ab. »Wo du es für richtig befindest, Gatty. Dir ist das Schloss besser bekannt als mir.«
    Nach einem kurzen Nicken drehte die Hausangestellte sich zu den anderen und bedeutete ihnen beiseitezutreten, dann verkündete sie: »Dann würde ich Mylady gern als Erstes im großen Saal herumführen.«
    Ihre neue Herrin lächelte huldvoll. Sie erhob sich und folgte Gatty zu einer kleinen Gruppe Sitzmöbel, die vor dem offenen Kamin stand. Die Stühle waren von guter handwerklicher Machart und stammten unzweifelhaft aus besseren Zeiten. Ein Schachbrett mit kunstvoll geschnitzten Figuren war offenbar auch aus jener Zeit. Murie nahm alles in sich auf, während sie ihren Blick durch den großen Saal schweifen ließ. Ringsum bedeckten Tapisserien die kühlen Mauern. Von Weitem wirkten diese Wandbehänge trist und farblos, aber als Murie nähertrat, registrierte sie, dass das keineswegs der Fall war. Sie wurden lediglich von Staub und Ruß bedeckt. Da es auf Schloss Gaynor an Hausangestellten mangelte, war das Ausklopfen und Säubern der Gobelins offenbar länger vernachlässigt worden.
    »Wir haben alles getan, was wir konn…«, begann Gatty mit einem Hauch von Reue in der Stimme, doch Murie fiel ihr sogleich ins Wort.
    »Es wird alles wieder wunderschön werden, sobald wir genügend tatkräftige Hilfen haben, die mit Hand anlegen können«, sagte sie begütigend.
    Gatty schickte ihr einen zaghaften Blick, dann entspannte sie kaum merklich. »Möchtet Ihr, dass ich Euch jetzt die Küchenräumlichkeiten zeige, Lady Gaynor?«
    Murie nickte und folgte Gatty.
    Der Küchentrakt war dafür ausgelegt, Hunderte von Menschen zu beköstigen, so wie man es bei einem Schloss dieser Größe erwarten konnte, gegenwärtig jedoch wurde nur ein kleiner Teil davon genutzt. Vermutlich brauchte es nicht viel Platz, um Fischeintopf für die wenigen Leute zu kochen, dachte Murie; zudem schien es ihr, dass Clement als einziger Koch auf Gaynor geblieben war. Es bereitete ihr keine Mühe, sich vorzustellen, dass es in der Küche einst geschäftig wie in einem Bienenstock zugegangen sein musste, und sie war fest entschlossen, diesen Zustand wieder herbeizuführen.
    »Meine Töchter helfen Clement des Öfteren in der Küche, sie tragen auch die Speisen auf«, erklärte Gatty leise. »Vor Ausbruch der Pest waren die beiden Stubenmädchen.«
    »Und das werden sie auch wieder werden«, versicherte Murie ihr und wandte sich zum Gehen.
    »Möchtet Ihr nicht auch die Speisekammer sehen?«, fragte Gatty, während sie ihrer Herrin folgte.
    »Dafür ist morgen auch noch Zeit«, antwortete Murie, die wenig Lust verspürte, die leeren Regale in Augenschein zu nehmen. Es machte sie tief betroffen, was diese Leute ertragen hatten, und sie wünschte sich inständig, den Rundgang endlich hinter sich zu bringen.
    Sie stiegen die Stufen ins Obergeschoss hoch. Murie hüllte sich in Schweigen, während Gatty ihr sämtliche Räumlichkeiten zeigte. Julianas Schlafkammer war klein, wenig komfortabel und lediglich mit dem Nötigsten ausgestattet. Ein

Weitere Kostenlose Bücher