Eine Braut von stuermischer Natur
entschlossen auf die Schlafstatt. Sie hielt sich am Bettpfosten fest und griff nach dem Stoff hoch oben an dem holzgezimmerten Rahmen. Um dorthin zu gelangen, musste sie sich auf Zehenspitzen stellen.
»Oh! Mylady! Was tut Ihr da? Kommt um Himmels willen herunter! Nachher verletzt Ihr Euch noch!«
Murie, die erstaunt nach unten spähte, erkannte, dass Cecily ins Zimmer gekommen war. Mit entsetztem Gesichtsausdruck eilte die Zofe zu ihrer Herrin. »Ich bin gerade dabei, diese Bettvorhänge abzunehmen. Ich dachte, wenn wir den Baldachin entfernen und das Bett mit frischen Leinentüchern beziehen, dann geht es für diese Nacht.«
Wieder griff sie nach oben, zerrte an dem Stoff und setzte leise zeternd hinzu: »Ich wünschte, wir könnten auch die Binsen erneuern, aber das ist heute leider nicht mehr machbar. Das muss bis morgen warten.«
»Mylady, es ist …«
Murie blickte erneut zu ihrer Zofe, die sich mit schreckgeweiteten Augen in der Kammer umsah. Sie seufzte und widmete sich wieder dem Vorhang, an dem sie erneut riss.
»Es sieht schier zum Fürchten aus, aber – herrjeeee!«, kreischte Murie erschrocken, als sich der Stoff unvermittelt von dem Rahmen löste; sie verlor das Gleichgewicht, sank taumelnd auf die schmutzstarrenden Laken und wurde sofort von einer Staubwolke eingehüllt. Dann japste sie hilflos nach Atem, denn das Bett brach plötzlich unter ihr zusammen.
12
»Mylady!« Cecily krabbelte über den eingestürzten Holzrahmen zu Murie. »Wie geht es Euch, Mylady? Seid Ihr verletzt?«
»Nein, ich bin noch einmal glimpflich davongekommen.« Murie setzte sich auf und rang sich ein Lächeln ab, das sich auf ihren Lippen verlor. Der Atem entwich einem unglücklichen Stoßseufzer gleich ihren Lungen. Aus diesem Blickwinkel sah das Gemach auch nicht besser aus als im Stehen.
»Sehr wahrscheinlich gibt es hier oben nicht mal frische Leintücher«, vermutete Cecily. Sie spähte zu dem, was einst ein Bett gewesen war, und rümpfte die Nase. »Es macht ganz den Anschein, als könnten die Dienstboten nur das Allernötigste bewerkstelligen. Und die Wäsche gehört hier ganz gewiss nicht auf die Liste der allernötigsten Dinge.«
Murie zog die Stirn kraus. Dann huschte ihr Blick zur Tür. Cecily hatte sie für die Diener offen gelassen, die gerade ihre Truhen hereintrugen.
»Oh.« Abrupt blieb der erste Diener stehen, als er die beiden Frauen in dem Gewirr aus zerborstenem Holz und zerfetztem Betthimmel erspähte. Die anderen waren gezwungen, ebenfalls anzuhalten. Die vier Männer, die die zwei Truhen trugen, blieben wie festgewachsen stehen und starrten auf die Bescherung. Dann sagte einer: »Wir können das reparieren.«
»Macht euch keine Mühe«, antwortete Cecily. »Wir haben nicht einmal …«
»Haben wir doch«, konterte Murie und krabbelte eilig aus der zertrümmerten Schlafstatt.
»Aber Mylady …«, setzte Cecily an und folgte ihr.
»In einer meiner Truhen sind vielleicht Leinentücher«, unterbrach Murie hoffnungsvoll.
»Was sagt Ihr da?«, fragte Cecily ungläubig. »Ich glaube kaum, dass …«
»Alle bei Hofe wussten, dass es Gaynor an allem fehlt«, erklärte Murie mit Nachdruck. Sie lief zu der ersten Truhe, die die Männer abstellten, stemmte den Deckel auf und begann, den Inhalt zu durchwühlen. »Die Königin war möglicherweise so vorausschauend, mir ein paar von meinen eigenen Leinentüchern mitzuschicken, für den Fall, dass sie hier gebraucht würden. Königin Philippa ist in solchen Dingen sehr verlässlich.«
»Aber …« Der Rest des Satzes erstarb auf Cecilys Lippen, da Murie plötzlich freudig aufjauchzte und einen Stapel blütenweißer Leinenlaken in den Armen schwenkte.
»Oh, was für eine wundervolle Frau«, rief sie überglücklich. »Ich muss ihr unbedingt schreiben, um ihr für so viel vorausschauende Umsicht zu danken.«
Cecily ließ betreten die Schultern sinken und schüttelte verständnislos den Kopf. Sie trat beiseite und machte den Männern Platz, die zu dem Bett gingen, um den Schaden zu inspizieren. »Ihr könnt nicht in dieser Kammer nächtigen. Gibt es denn keine andere …«
»Sicherlich«, antwortete Murie spöttisch. »Mein Gemahl und ich könnten auch in der Garnison bei den Soldaten nächtigen.«
Ihre Äußerung ließ die vier Männer innehalten. Sie drehten sich zu Murie und sahen die junge Lady erstaunt an.
»Bestimmt«, sagte der Mann, der den Vorschlag vorgebracht hatte, dass sie das Bett reparieren könnten, nach einer kurzen Weile. »Dort
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