Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Braut von stuermischer Natur

Eine Braut von stuermischer Natur

Titel: Eine Braut von stuermischer Natur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynsay Sands
Vom Netzwerk:
strebte sie zur Tür. Sie wollte gleich morgen damit anfangen, diese Kammer wohnlicher zu gestalten. Zuvor aber würde sie in dem großen Saal nach dem Rechten sehen müssen.
    »Hier oben ist sonst nur noch der Söller«, meinte Gatty, als sie die Tür hinter ihnen ins Schloss zog.
    Murie nickte und folgte ihr durch den Gang zu dem letzten Gelass. Es gelang ihr, einen entsetzten Aufschrei zu unterdrücken, als die Hausangestellte die Tür aufschob und sie hineinwinkte.
    »Das … Das ist …« Murie schüttelte den Kopf, unfähig, das Entsetzen in Worte zu kleiden, das sie beim Anblick jener Kammer erfasste. Die Binsen dort waren – ähnlich denen im gesamten Schloss – schon eine ganze Weile nicht mehr ausgetauscht worden, vielleicht nicht mehr seit Ausbruch der Pest. Das ausgestreute Reisig bildete eine einzige klamme, übelriechende Masse. Ungeachtet des Umstands, dass im gesamten Schloss Spuren von Vernachlässigung erkennbar waren, die sich im letzten Jahr oder mit Ausbruch der Pest eingeschlichen hatten, war der Söller offenkundig schon viel länger stiefmütterlich behandelt worden. Spinnweben schwangen sich von den Dachbalken, das einzige Möbelstück war ein breites Bett mit holzgedrechselten Pfosten und einem mottenzerfressenen Baldachin, der in Fetzen hing und keinen Schutz bot vor dem unablässig durch die offenen und morschen Holzläden pfeifenden Wind. Der Kamin war kalt, die Asche nicht geleert.
    »Der alte Lord bestand darauf, dass die Kammer so bleiben sollte, wie sie war, als Lady Gaynor vor zehn Jahren starb«, erklärte Gatty leise. »Er untersagte uns, hier oben sauberzumachen.«
    »Aber …« Murie schüttelte den Kopf.
    »Wir wechselten heimlich die Binsen, wenn er einmal nicht auf dem Schloss weilte. Nachher haben wir das freilich abgestritten.«
    »Aber warum hat Lord Balan nicht …«
    »Er schläft bei den Soldaten in der Garnison, seit er aus Frankreich zurückgekehrt ist.«
    »Oh«, entwich es Murie matt. Es geziemte sich nicht, ihren Gemahl in die Garnison zu begleiten. Allerdings konnten sie keinesfalls in dieser unwirtlichen Kammer hier nächtigen. Unseligerweise war es zu spät, um andere Vorkehrungen zu treffen.
    Offenkundig gerührt über die enttäuschte Miene ihrer jungen Schlossherrin schlug Gatty vor: »Mit ein paar frischen Leinentüchern und Fellen mag es für eine Nacht gehen. Morgen sehen wir dann weiter, wie sich die Kammer behaglicher gestalten lässt.«
    »Gewiss«, murmelte Murie schwach.
    »Ich bin untröstlich«, seufzte Gatty. »Das ist wahrlich kein schöner Empfang für Euch, aber wir sind so wenige und sämtlich von früh bis spät auf den Beinen, und wir hatten schlicht nicht die Zeit um …«
    »Nein, wirklich nicht«, unterbrach Murie und straffte die Schultern. »Es ist, wie es ist. Wenn du so nett sein könntest, Cecily zu mir hochzuschicken, und jemanden, der meine Truhen heraufträgt. Dann werden meine Kammerfrau und ich uns darum bemühen, das Zimmer für die Nacht herzurichten.«
    »Ich könnte Euch dabei helfen«, erbot sich Gatty.
    Murie schüttelte den Kopf. »Ich habe deine Dienste lange genug in Anspruch genommen. Geh und kümmere dich um die Aufgaben, die du sonst für gewöhnlich um diese Zeit erledigen würdest. Wir kümmern uns um das Schlafgemach.«
    Mit einem höflichen Nicken ließ die Frau ihre junge Dienstherrin allein, und Murie drehte sich langsam einmal im Kreis herum. Dabei schweifte ihr Blick prüfend über das Interieur. Sie überlegte, wo sie anfangen sollte.
    Die Bettvorhänge waren der größte Schandfleck, denn sie starrten nicht nur vor Schmutz, sondern waren auch zerrissen. Daher beschloss Murie, diese zuallererst zu entfernen. Sie hob ihre Röcke ein Stückchen an, um über die modrig feuchten Reiser zum Bett zu gelangen, wo sie mit beiden Händen nach dem zerschlissenen Baldachinstoff griff und fest daran riss. Im nächsten Moment schwankte sie und hustete ob des Staubs und des Schmutzes, der in einer graubraunen Wolke aus dem morschen alten Stoff aufstieg.
    Als sie endlich wieder Luft bekam, wedelte sie mit einer Hand vor ihrem Gesicht herum, um den Rest der Staubwolke zu vertreiben, und spähte vorsichtig nach oben, neugierig auf den Erfolg, den ihre Bemühungen gezeitigt hatten. Betrübt ließ sie die Schultern sinken, als sie sah, dass der dünne Stoff genau an jener Stelle zerrissen war, an der sie ihn umklammert hielt, und kein bisschen höher.
    Nach einem missmutigen Blick auf das Ergebnis ihres Tuns kletterte sie

Weitere Kostenlose Bücher