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Eine Braut von stuermischer Natur

Eine Braut von stuermischer Natur

Titel: Eine Braut von stuermischer Natur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynsay Sands
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schon heute Abend beachten sollten?«
    »Nein, außer dass ihr ihn stets im Auge behalten müsst«, sagte Murie seufzend, während ihr Blick zum Schlossportal schwenkte. Sie waren am späten Nachmittag eingetroffen, und es dämmerte bereits, da die Tage allmählich kürzer wurden. »Aber morgen benötige ich einige Dinge und brauche vielleicht den einen oder anderen Rat.«
    »Gewiss, stets zu Diensten. Wie es Euch beliebt, Mylady«, sagte Thibault eifrig.
    Murie nickte. »Alles Weitere werden wir morgen bereden. Es war eine lange, beschwerliche Reise, und mein Gemahl und Osgoode sind gewiss dankbar für ein schmackhaftes Mahl, wenn sie von jener Unterredung zurückkehren … Wie war noch gleich der Name – Anselm?«
    »Ganz recht«, murmelte Gatty.
    »Ein schmackhaftes Mahl?«, entfuhr es Clement, reichlich betreten, dann nickte er. »Gewiss, ich kann Euch Fischfrikadellen, Fischpastete oder Fisch am Spieß zubereiten.«
    Ein missbilligender Zug legte sich um Muries Lippen. »Soll das bedeuten, es gibt nicht viel anderes als Fisch?«
    »Es gibt nichts anderes als Fisch«, versetzte Clement.
    »Gar nichts?«, forschte Murie.
    »Gar nichts«, wiederholte der Koch. »Wir essen Fisch zum Fastenbrechen, zu Mittag und zum Nachtmahl.«
    Fassungslos schüttelte sie den Kopf. »Auf Gaynor gibt es doch gewiss Hühner, die Eier legen, oder? Und sicherlich auch Rinder und Schweine, nicht wahr?«
    »Nein, nichts«, wiederholte er hartnäckig.
    »Aber … ich meine, ich weiß, dass es Gaynor an Leuten fehlte, die die Ernte einbringen konnten, und dass sie deswegen auf den Feldern verfault ist, aber hat die Pest denn auch euer Vieh befallen?«
    »Wenn Ernte auf den Feldern verrottet, wird sie für gewöhnlich untergepflügt, um die Felder fruchtbarer zu machen«, erklärte Clement kurz angebunden. »Aber wir sind so wenige, dass wir selbst das nicht bewerkstelligten.«
    »Mylady«, sagte Gatty bedächtig und strafte den Koch mit einem strengen Blick. »Gestattet mir, dass ich es Euch erkläre.«
    Als Murie nickte, sagte sie: »Die Hälfte unserer Leute wurde von der Pest dahingerafft. Etliche von den Überlebenden flohen aus Angst vor Ansteckung. Die Wenigen, die in Gaynor blieben, versuchten, das Leben wieder in geregelte Bahnen zu lenken. Inzwischen waren viele Tiere weggelaufen oder verendet, weil sie niemand mit Futter versorgte. Zudem machten Geschichten, von Lords, die den Bauern mehr Lohn, schöne Hütten, gutes Essen und dergleichen versprachen, wenn sie auf ihren Feldern anheuerten, die Runde. Etliche von denen, die überlebten und nicht in Todesangst geflohen waren, nahmen solche Angebote an und verließen unser Dorf.
    Sie nahmen alles an Vieh mit, das uns noch verblieben war … als Lohn, behaupteten sie«, fügte sie bitter hinzu. »Wir, die wir hier vor Euch stehen, waren unserer Lordschaft treu ergeben und sind geblieben. Wir hatten nur das, was wir von den Feldern und in den Gärten ernten konnten … und den neuen Fischteich voller Fische.«
    Überwältigt von tiefem Mitgefühl sank Murie gegen die Stuhllehne, während sie die kleine Gruppe in Augenschein nahm. Sie trugen allesamt einfache Kittel aus grobem braunem Wolltuch. Unter ihren Augen zeichneten sich dunkle Schatten ab, auch bei dem rundlichen Thibault; ihre Körper wirkten ausgezehrt, als hätten sie in letzter Zeit an Gewicht verloren. Mit ihren herabgesunkenen Schultern wähnten sie sich von einem bösen Schicksal besiegt. Gewiss fehlte es ihnen an Lebensmut und Kampfgeist, aber wenn sie sich das ganze letzte Jahr nach der Pest einzig von Fisch ernährt hatten, konnte sie ihnen das nicht verdenken.
    Zwar hatte sie gewusst, dass Gaynor große Not litt, aber es zerriss ihr das Herz zu erfahren, wie schelcht es den Menschen ging. Und nicht nur in Gaynor. Der Schwarze Tod hatte allein in London fast die Hälfte der rund siebzigtausend Bewohner hinweggerafft. Überall herrschte Chaos. Viele Adelsfamilien waren aufs Land geflüchtet, weil sie sich dort sicher wähnten. Die meisten Londoner hatten hingegen keine Wahl. Nicht wenige von ihnen hatten sich wie wilde, unzivilisierte Kreaturen gebärdet. Sie hatten die leer stehenden Hütten geplündert und alles mitgenommen, was sie finden konnten. Und niemand hatte sie daran gehindert. Andere wiederum hatten sich in ihren Häusern verbarrikadiert und die Augen vor dem verschlossen, was vor ihren Türen geschah, darauf hoffend, von der Pest und von ihren einstigen Nachbarn verschont zu bleiben.
    Und es kam noch

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