Eine Braut zu Weihnachten
wir ebenso viel Wert auf Privatsphäre wie auf Unabhängigkeit. Veronica ist kein Kind mehr und intelligent genug, um in solchen Angelegenheiten ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.«
»Ich finde wirklich …«
»Nein, nein.« Wieder hob sie abwehrend die Hand. »Im Moment habe ich einen sehr guten Eindruck von Ihnen. Wenn Sie mir jetzt sagen würden, Sie hätten ehrliche Absichten, würde ich mich gezwungen sehen, mich für Sie einzusetzen, und das wäre gar nicht gut. Oder ich würde Ihnen nicht glauben, was noch schlimmer wäre. Würden Sie dagegen sagen, sie hätten keine ehrlichen Absichten, würde ich Sie für ziemlich dumm halten, dergleichen zuzugeben, selbst wenn ich Ihre Ehrlichkeit zu schätzen wüsste. Aber in beiden Fällen würde ich mich verpflichtet fühlen, Veronica von Ihren Heiratsabsichten zu unterrichten, und ich weiß nicht, wie ihre Reaktion darauf sein könnte.«
»Wären die meisten Frauen nicht erfreut, wenn ein Mann ehrliche Absichten hat?«, fragte er verwundert.
»Veronica ist nicht wie die meisten Frauen .« Miss Bramhall rümpfte die Nase. »Und auch die anderen Frauen in ihrer Familie sind es nicht. Sie täten also gut daran, sich auch das zu merken.«
»Das werde ich.«
»Und nun« – sie ließ den Blick über die Menge gleiten –«bleibt mir noch Zeit für ein paar Worte mit Lady Lovett, bevor die Pause endet.« Ein schalkhaftes Lächeln blitzte in ihren Augen auf. »Ich denke, wenn Sie sich beeilen, können Sie noch vor mir wieder in der Loge sein.«
Sebastian lachte. »Dann werde ich mich beeilen.«
»Noch etwas, Sir Sebastian.« Sie betrachtete ihn eingehend. »Sogar das Herz der stärksten Frau kann überaus zerbrechlich sein. Veronica ist die Tochter, die ich selbst nie hatte.« Ein warnender Unterton schwang jetzt in ihrer Stimme mit. »Und ich habe ein sehr gutes Gedächtnis, wie Sir Hugo Ihnen bestätigen wird.«
»Das bezweifle ich nicht, Miss Bramhall.«
»Und noch etwas, mein Junge.« Sie beugte sich zu ihm vor und senkte die Stimme. »Versuchen Sie, nicht ganz so servil zu sein. Obwohl ich Ihre Bemühung zu schätzen weiß, es ist überhaupt nicht attraktiv.« Ihr Blick glitt über ihn. »Und Sie sind sehr attraktiv.«
»… und er kam nur wenige Minuten vor dem Ende der Pause zurück, dicht gefolgt von Tante Lotte.« Im Damenleseraum der Buchhandlung Fenwick and Sons klopfte Veronica ungeduldig mit den Fingern auf den Tisch. »Da ich das Stück bereits gesehen hatte …«
»Wer nicht?«, warf Portia ein. »Es ist ein sehr altes Stück.«
»Und trotzdem unterhaltsam«, sagte Julia. »Ich finde es immer wieder amüsant.«
Portia nickte. »Das kommt darauf an, wer die Rolle der Lady Sneerwell spielt, denke ich. Da sie die Schurkin ist …«
»Würdet ihr zwei bitte aufhören, das Für und Wider eines albernen Theaterstücks zu diskutieren und eure Aufmerksamkeit meinem Dilemma widmen?«, verlangte Veronica mit einem ärgerlichen Blick zu ihren Freundinnen.
»Wir sind uns nicht ganz sicher, was dein Dilemma ist, Liebes.« Julia trank einen Schluck von ihrem Tee.
»Abgesehen davon, dass du Sebastians Geliebte werden willst und er nicht zu kooperieren scheint.« Portia lächelte selbstgefällig. »Ich zum Beispiel bin total schockiert.«
»Inwieweit er kooperieren wird, muss sich noch herausstellen.« Veronicas Ton war schärfer als beabsichtigt, und sie hielt inne, um einen beruhigenden Atemzug zu tun.
»Du dachtest, er würde sofort in dein Bett hüpfen oder dich in seins hineinlocken«, stellte Portia fest.
»Er hat ja auch tatsächlich diesen Ruf.«
Julia nickte. »Was unter anderem der Grund ist, warum du ihn dir ausgesucht hast.«
»Nicht nur. Ich habe mich auch für ihn entschieden, weil seine Bücher mir gefallen. Wie er schreibt, hat etwas Bezwingendes, ja sogar Verführerisches, wage ich zu behaupten.«
Portia schnaubte. »Ich habe seine Bücher gelesen und fand sie nicht im Mindesten verführerisch. So ein Unsinn«, fügte sie leiser hinzu.
»Und als ich ihn dann kennenlernte …« Veronica seufzte. »Nun ja, vielleicht sollte ich euch einfach alles beichten.« Sie unterbrach sich kurz, um sich zu sammeln. »Die ganze Idee, eine Geliebte zu werden, war anfangs nur so etwas wie ein leises Kitzeln irgendwo im Hinterkopf gewesen. Ich wusste, dass ich nicht wieder heiraten wollte, und war es leid, allein zu sein, aber ich wusste auch, dass es der richtige Mann sein musste. Und so kam es, dass ich mich erst, als ich Sebastian kennenlernte,
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