Eine Braut zu Weihnachten
verbringen. Sie alle begrüßten Veronica genauso herzlich wie Diana.
Die Erwachsenen versammelten sich vor dem Abendessen in einem Wohnzimmer, und wieder waren alle sehr freundlich zu Veronica und behandelten sie wie ein Familienmitglied, was erfreulich und zugleich verwirrend war.
»Wir können nur froh sein, dass es nicht die Jahreszeit für Frösche ist«, flüsterte Lady Evelyn Waterston Veronica zu, die neben ihr auf dem Sofa im Wohnzimmer saß, und versuchte, nicht zu lachen.
Auf dem Korridor hing noch das Echo der hellen Stimmen von Sebastians Neffen, denen gestattet worden war, herunterzukommen, um ihren Eltern eine gute Nacht zu wünschen, bevor sie von ihren leidgeprüften Nannys wieder zu Bett gebracht wurden. Ihre Mutter gab den Dienstboten noch letzte Anweisungen, und ihre Stimme verklang auf der Treppe, als sie den Kindern anscheinend nach oben folgte. Sebastians einzige Nichte, das jüngste Kind, war schon im Bett.
Veronica zog die Brauen zusammen. »Frösche?«
Evelyn nickte. »Dianas Jungen lieben Frösche, doch leider neigen sie auch dazu zu vergessen, wo sie sie zurückgelassen haben. Als sie im vergangenen Sommer auf Waterston Abbey zu Besuch waren, wusste man nie, wo man einem vergessenen Frosch begegnen würde.« Trotz ihrer Worte verzogen ihre Lippen sich zu einem amüsierten Lächeln. »Es war nervenaufreibend, um es milde zu sagen.«
»Das kann ich mir vorstellen«, stimmte Veronica zu, als die heutige Szene in der Eingangshalle unter Hinzugabe von Fröschen vor ihrem inneren Auge erschien.
Evelyn lachte. »Dianas Kinder beziehungsweise die Jungen sind …«
Portia hatte immer gesagt, ihre Familie sei äußerst puritanisch. Dass sie Sebastians Geliebte mit einer solchen Herzlichkeit aufnahmen und behandelten, zeigte sie überraschend aufgeschlossen und fortschrittlich. Das hatte Veronica nicht erwartet, aber andererseits hatte sie ja auch nicht erwartet, Sebastians Familie – wenn überhaupt je – so bald zu begegnen, falls überhaupt. Wie lautete die Etikette bezüglich der Einführung einer Geliebten in die Familie des Mannes, falls es diesbezüglich überhaupt Regeln gab? Diese Situation war keine, die üblicherweise in einem Mädchenpensionat gelehrt wurde. Sogar Veronica würde es schwer finden, mit einem derartigen gesellschaftlichen Dilemma elegant umzugehen. Darüber hinaus hatte sie es nicht erwartet, ja es nicht mal in Betracht gezogen, aber tatsächlich fühlte sie sich hier inmitten der Familie ein bisschen unbehaglich. Veronica Smithson hatte immer ihren Platz im Leben und ihre gesellschaftliche Stellung gekannt und war sich immer sicher gewesen, wer sie war. Doch nun hatte sie das höchst merkwürdige Gefühl, das nicht mehr zu wissen, was überaus beunruhigend war.
Warum hatte sie das nicht bedacht? Sie hatte sehr diskret sein wollen in ihrer Beziehung zu Sebastian und ganz bestimmt nicht vorgehabt, der ganzen Welt zu verkünden, dass sie seine Geliebte war. Aber im Grunde war bisher ja auch nicht mehr zwischen ihnen gewesen war als ein paar Küsse. Man könnte also ehrlich sagen, dass sie keineswegs seine Geliebte war, sondern nur … eine Freundin. Eine Freundin, die er heiraten wollte. Eine Freundin, die es vorzog, keine Ehe einzugehen, ihn aber trotzdem an ihrer Seite haben wollte. Sie fragte sich, wie Sebastian sie seiner Familie erklärt haben mochte.
»Finden Sie nicht?«
»Verzeihen Sie bitte.« Veronica schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, ich war für einen Moment mit meinen Gedanken ganz woanders.«
»Das überrascht mich nicht.« Evelyns Blick glitt durch den Raum.
Dianas Mann plauderte mit Miranda, während Sebastian und seine älteren Brüder am Kamin standen und miteinander sprachen. Alle waren gut aussehende Männer, groß und breitschultrig, und sie schienen sich auch gut zu unterhalten, auch wenn Veronica, wann immer sie zu Sebastian hinüberblickte, seinem etwas unbehaglichen Blick begegnete. Seltsam, denn auch Miranda und Bianca schienen sie zu beobachten. Sebastian und seine jüngeren Schwestern waren eindeutig besorgt wegen irgendetwas, obwohl es bisher ein sehr aufgeräumtes, geselliges Zusammensein gewesen war.
»Unsere Familie kann ziemlich einschüchternd auf jemanden wirken, der nicht an sie gewöhnt ist«, sagte Evelyn seufzend. »Besonders, wenn man selbst eine kleinere Familie hat.«
Veronica lächelte. »Sie sind wirklich nicht gerade wenige.«
»Und dabei fehlen noch Adrians Mutter und Portia«, sagte Evelyn. »Schade, dass
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