Eine Braut zu Weihnachten
wahren Situation bewusst waren. Evelyn beobachtete sie neugierig. Was Sebastian anging, so sah er aus, als hätte er gerade etwas unerwartet Scheußliches gegessen und sei sich noch nicht sicher, welche Folgen das haben würde.
»Vielen Dank euch allen.« Veronica setzte ihr charmantestes Lächeln auf und stürzte ihren Wein hinunter, während sie wünschte, es gäbe etwas Stärkeres.
»Du bist ein Glückspilz, Sebastian.« James lachte und blickte dann zu seiner Frau hinüber. »Vielleicht nicht ganz so sehr wie ich, aber trotzdem glücklich.«
Diana nickte, und der Rest der Familie lachte.
Sebastian suchte Veronicas Blick, und ihr Herz schlug schneller. »Ja, das bin ich«, sagte er.
Sie starrte ihn einen Moment lang an und holte dann tief Luft. Sie mochte zwar nicht wirklich die Hausherrin sein, in mehr als einer Hinsicht, aber dies war nicht der richtige Moment, um diese Illusion zu zerstören. Sie hatte nicht die Absicht, Sebastian vor seiner Familie bloßzustellen. Bis sie unter vier Augen mit ihm sprechen konnte, würde sie diese Leute, auf deren Meinung er Wert legte, nicht darüber aufklären, dass sie entweder von einer Annahme ausgingen, die er nicht berichtigt hatte, oder dass er sie belogen hatte. Sie würde weder ihn noch sich selbst in Verlegenheit bringen. Und sie war eine ausgezeichnete und sehr erfahrene Gastgeberin. Sie erhob sich lächelnd, und die Männer taten es ihr augenblicklich nach.
»Meine Damen, ich schlage vor, wir ziehen uns in den Salon zurück und erlauben den Herren, ihren Brandy und Portwein ohne uns zu genießen.«
»Und Zigarren, hoffe ich«, sagte Hugh grinsend.
Na ja, wer A sagt, muss auch B sagen, wie es so schön heißt, dachte Veronica und fixierte ihn mit einem strengen Blick. »Nicht in diesem Zimmer, fürchte ich. Aber es gibt ein Billardzimmer für die, die rauchen möchten.«
»Oh, wir werden hier auch sans cigars zufrieden sein«, sagte Adrian entschieden. »Oder zumindest heute Abend.«
Veronica lächelte und wandte sich dann an die anderen Frauen. »Ich werde in ein paar Minuten nachkommen. Ich muss noch mit der Köchin wegen morgen sprechen.«
Diana zuckte zusammen. »Ich fürchte, meine Köchin würde mächtig ins Rotieren geraten, wenn ich ihr mit einem Haus voller unerwarteter Gäste käme.« Sie und ihre Schwestern verließen eine nach der anderen das Speisezimmer. »Aber sie ist ja überhaupt sehr unflexibel, selbst an ihren besten Tagen …«
»Lassen Sie nicht zu lange auf sich warten, Gentlemen.« Veronica lächelte in bester Gastgeberinnenmanier und sah Sebastian an. »Angesichts der angeregten Unterhaltung während des Abendessens gehe ich davon aus, dass es noch viel mehr gibt, worüber wir alle gerne sprechen würden.«
Die Männer stimmten zu, und Veronica nickte und trat durch die Schwingtür auf den Gang, der zur Küche führte. Draußen lehnte sie sich jedoch für einen Moment an die Wand und atmete tief durch.
Sie glaubten also alle, sie und Sebastian wären verheiratet? Wie konnten sie darauf gekommen sein? Bianca und Miranda wussten auf jeden Fall, dass sie nicht verheiratet waren. Sebastian hatte ihnen doch bestimmt nicht gesagt, sie wären es, auch wenn er es nicht eilig zu haben schien, den falschen Eindruck zu berichtigen.
Und warum sollte er? Veronica seufzte, straffte die Schultern und begann, den Korridor hinunterzugehen. Bianca hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Veronica darüber aufzuklären, dass Sebastian sich immer wie eine Enttäuschung für seine Familie empfunden hatte. Und dass er sich jetzt – mit dem Hauskauf und seinem Verbleib in England – als würdig zu erweisen versuchte, Mitglied einer Familie zu sein, zu der er nie wirklich gepasst hatte. Wie sollte er ihnen da die Wahrheit sagen? Oder sie?
Veronica war nicht sicher, ob sie wütend, nur verärgert oder sogar ein bisschen belustigt war. Denn nun, da der Schock über die Entdeckung, verheiratet zu sein, verblasst war, schien es ihr das Beste zu sein abzuwarten, bis sie mit Sebastian sprach und hörte, was auch immer für dürftige Erklärungen er vorzubringen hatte, bevor sie irgendetwas unternahm. Schon wieder so eine peinliche Situation, auf die man in einem Mädchenpensionat nicht vorbereitet wurde!
Im Moment konnte sie jedoch nur die Schultern straffen und sich an die Arbeit machen. Sie hatte ein Haus voller Gäste über Weihnachten und eine bisher noch unerprobte Dienerschaft. Doch ob sie nun Lady Smithson oder die frischgebackene Lady Hadley-Attwater
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