Eine dunkle Geschichte (German Edition)
in ihre Prozesse. Der Fall ist jedoch selten, man verlasse sich nicht darauf! Als Herr von Granville mit seinem alten Klienten in seinem Arbeitszimmer allein war, sagte er zum Marquis:
»Ich habe Ihren Besuch nicht abgewartet, sondern schon meinen ganzen Einfluß aufgewandt. Versuchen Sie nicht, Michu zu retten, dann wird aus der Begnadigung der Herren von Simeuse nichts. Ein Opfer ist nötig.«
»Mein Gott!« sagte Bordin, indem er dem jungen Staatsanwalt die drei Gnadengesuche zeigte, »kann ich es auf mich nehmen, das Gesuch Ihres früheren Klienten zu unterschlagen? Dies Papier ins Feuer werfen, heißt ihm den Kopf abschlagen.«
Er reichte ihm Michus Blankett. Herr von Granville nahm es und sah es sich an.
»Unterschlagen können wir es nicht, aber Sie müssen wissen, wenn Sie alles verlangen, bekommen Sie nichts.«
»Haben wir noch Zeit, Michu zu fragen?« fragte Bordin.
»Ja. Der Hinrichtungsbefehl ist Sache des Generalstaatsanwalts, und wir können Ihnen ein paar Tage Frist geben. Man tötet die Menschen zwar,« sagte er mit einer gewissen Bitterkeit, »aber unter Wahrung der Form, besonders in Paris.«
Herr von Chargeboeuf hatte schon beim Oberrichter Auskünfte erhalten, die diesen traurigen Worten des Herrn von Granville ein ungeheures Gewicht gaben.
»Michu ist unschuldig, ich weiß es, ich sage es,« fuhr der Staatsanwalt fort, »aber was vermag man allein gegen alle? Bedenken Sie auch, daß es heute meine Rolle ist, zu schweigen. Ich muß das Schafott errichten lassen, auf dem mein alter Klient enthauptet wird.«
Herr von Chargeboeuf kannte Laurence hinreichend, um zu wissen, daß sie nicht darein willigen würde, ihre Vettern auf Kosten Michus zu retten. Der Marquis machte also einen letzten Versuch. Er hatte um eine Audienz beim Minister des Auswärtigen nachgesucht, um zu erfahren, ob es in der hohen Diplomatie noch eine Rettungsmöglichkeit gäbe. Er nahm Bordin mit, der den Minister kannte und ihm einige Dienste geleistet hatte. Die beiden alten Leute fanden Talleyrand in die Betrachtung seines Feuers versunken, die Füße vorgestreckt, den Kopf in die Hand gestützt, den Ellbogen auf dem Tisch und die Zeitung auf dem Boden. Der Minister hatte soeben das Urteil des Kassationshofes gelesen.
»Wollen Sie sich setzen, Herr Marquis«, sagte der Minister. »Und Sie, Bordin,« fügte er hinzu, indem er auf einen Platz an dem Tische vor sich wies, »schreiben Sie:
»Sire!
»Vier unschuldige Edelleute sind von der Jury für schuldig erklärt worden, und Ihr Kassationshof hat soeben das Urteil bestätigt.
Eure Kaiserliche Majestät kann sie nur noch begnadigen. Diese Edelleute erbitten diese Gnade von Ihrer erhabenen Milde nur, um Gelegenheit zu haben, nutzbringend zu sterben, indem sie unter Ihren Augen kämpfen. Sie verbleiben in Ehrfurcht Eurer Kaiserlichen und Königlichen Majestät usw.«
»Nur Fürsten verstehen so zu verpflichten«, sagte der Marquis von Chargeboeuf, indem er aus Bordins Händen den kostbaren Entwurf des Gesuchs entgegennahm, das die vier Edelleute unterzeichnen sollten und für das er sich eine hohe Beischrift erhoffte.
»Das Leben Ihrer Verwandten, Herr Marquis,« sagte der Minister, »hängt vom Zufall der Schlachten ab. Versuchen Sie, am Tage nach einem Siege anzukommen, so sind sie gerettet!«
Er griff zur Feder und schrieb selbst einen vertraulichen Brief an den Kaiser und einen von zehn Zeilen an den Marschall Duroc. Dann schellte er, verlangte von seinem Sekretär einen diplomatischen Paß und fragte den alten Anwalt ruhig: »Welches ist im Ernst Ihre Meinung über diesen Prozeß?«
»Wissen Euer Durchlaucht denn nicht, wer uns so gut hereingelegt hat?«
»Ich vermute es, aber ich habe Gründe, Gewißheit zu suchen«, entgegnete der Fürst. »Kehren Sie nach Cinq-Cygne zurück, bringen Sie mir morgen zur gleichen Stunde Fräulein von Cinq-Cygne hierher, aber geheim; sprechen Sie bei meiner Gattin vor, die ich von Ihrem Besuch in Kenntnis setzen werde. Fräulein von Cinq-Cygne soll so aufgestellt werden, daß sie den Mann erkennt, der vor mir stehen wird. Wenn sie ihn als den erkennt, der zur Zeit der Verschwörung der Herren von Polignac und von Rivière zu ihr kam – was ich auch sage und was er auch entgegnet, keine Gebärde! kein Wort! Denken Sie übrigens nur daran, die Herren von Simeuse und von Hauteserre zu retten, und bringen Sie sich nicht in Verlegenheit wegen Ihres schlimmen Burschen von Flurschützen.«
»Ein großartiger Mann,
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