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Eine dunkle & grimmige Geschichte

Eine dunkle & grimmige Geschichte

Titel: Eine dunkle & grimmige Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Gidwitz
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Gesicht prasselte und die Wurzeln mich stolpern ließen, hörte ich, wie die Bäume wisperten: Kehr um, kehr um, du junge Frau, du gehst zu einem Mörderhaus. «
    Die Bürger reagierten bestürzt und der junge Mann starrte Gretel mit einem seltsamen Ausdruck auf seinem Gesicht an.
    Gretel blickte auf seine mächtigen, magischen Hände und sagte schnell: »Es war nur ein Traum. Ich ging zu einem Haus auf einer Lichtung. Weiße Vögel hingen in Käfigen von der Regenrinne. Sie sangen: Kehr um, kehr um, du junge Frau, du stehst vor einem Mörderhaus. Ich betrat jedoch das Haus und folgte einem Lichtstrahl in den Keller. Dort fand ich eine alte Frau, die eine Eisenkette am Fußgelenk trug. Sie sagte, dass ich flüchten solle und dass der Mann, der hier wohnte, ihr Sohn sei. Außerdem sei er ein Zaubermeister und ein Mörder.«
    Der junge Mann sprang plötzlich auf. Alle Dorfbewohner starrten ihn an. Verlegen setzte er sich wieder hin.
    »Es war nur ein Traum«, sagte Gretel vorsichtig. »Nur ein Traum. Dann kam der Mann nach Hause. Und …«, fügte sie ruhig hinzu, »… er sah genauso aus wie du.« Gretel zeigte auf den schönen jungen Mann, der sie mit großen Augen anstarrte und begonnen hatte, wie ein Verrückter an seinen Fingernägeln zu kauen.
    »Er hatte ein Mädchen dabei und zog sie an den Haaren. Er warf sie auf den Tisch, zerrte eine weiße Taube aus ihrem Mund und steckte sie in einen Käfig. Es war nur ein Traum. Und dann nahm er eine Axt und hackte das Mädchen in Stücke. Es war nur ein Traum. Und er leckte sich das Blut von den Fingern und warf die Stücke des Mädchens in einen kochenden Kessel. Es war nur ein Traum!«
    Die Bewohner des Ortes redeten jetzt aufgeregt miteinander, zeigten zuerst auf Gretel und dann auf den jungen Mann.
    »Nur ein Stück warf er nicht in den Kessel«, fuhr siefort. »An einem Finger trug das Mädchen einen goldenen Ring mit roten Rubinen, so rot wie Rubine nur sein können. Er warf den Finger wütend weg. Er flog in hohem Bogen durch die Luft und landete in meinem Schoß.« Sie hielt inne.
    Die Dorfbewohner schwiegen und warteten auf das Ende von Gretels Geschichte. Die Schultern des schönen jungen Mannes hoben und senkten sich, hoben und senkten sich und seine Augen funkelten wild.
    Gretel, die auf dem Stuhl stand, schob die Hand in ihre Tasche und zog sie wieder heraus. »Hier ist er!«, sagte sie. Sie hielt den bläulichen Finger mit dem Ring in ihrer Hand in die Höhe.
    Der junge Mann sprang von seinem Stuhl auf und begann die Worte einer düsteren Verwünschung zu singen, aber bevor er fertig war, trat jemand hinter ihn und schlug ihn mit einem Tablett voller Würstchen bewusstlos. Dann wurde Öl vorbereitet und einer der Dorfbewohner losgeschickt, um giftige Schlangen zu finden.
    Denn die beste Art, einen Magier zu töten, ist, ihn zusammen mit giftigen Schlangen in einem Kessel mit heißem Öl zu kochen.
    Natürlich.
    Aber bevor der schöne junge Mann in den Kessel geworfen wurde, ging Gretel zu ihm und steckte ihre schmale Hand in eine seiner Taschen. Sie nahm den alten, blutigen Bindfaden heraus und steckte ihn in ihre Tasche. Dannnickte sie den Männern des Dorfes zu. Sie hoben seinen Körper hoch und warfen ihn in einen Bottich, der mit Öl und Giftschlangen gefüllt war.
    Als der junge Mann starb, wurde der Fluch gebrochen und seine alte Mutter befreit. Und um das düstere Haus herum flatterten Hunderte von Tauben aus ihren Käfigen und fielen gleich darauf als junge Frauen wieder zu Boden.
    Zusammen mit den anderen Dorfbewohnern kehrte Gretel an den Festtagstisch zurück. Sie trösteten sie und bewunderten ihren Mut. Am Ende des Essens ging sie zur weißhaarigen Witwe, entschuldigte sich dafür, dass sie so eigenwillig und ungehorsam gewesen war, und sagte ihr, dass sie bald weiterziehen würde.
    »Wohin willst du gehen?«, fragte die Witwe.
    Gretel dachte darüber nach, dann sagte sie: »Weiter.«
    Da seht ihr’s. Diese Geschichte endet gar nicht so furchtbar. Ja, zwischendrin war es ziemlich blutig, aber Gretel hat keine neuen Körperteile verloren und keiner ist gestorben – zumindest niemand, den wir wirklich gemocht haben.
    Ab nun werden die Dinge besser. Also, wenn du immer noch traurig bist – wegen Hänsel oder sonst irgendetwas –, dann höre jetzt nicht auf zu lesen. Gerade dann solltest du jetzt weitermachen.
    (Andererseits: Falls dir übel ist von dem ganzen Blut, dann ist jetzt vielleicht der richtige Zeitpunkt, das Buch zuzuklappen).



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