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Eine dunkle & grimmige Geschichte

Eine dunkle & grimmige Geschichte

Titel: Eine dunkle & grimmige Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Gidwitz
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Steinboden gestapelt, umgeworfene Stühle lagen herum. In der Mitte des Raumes stand ein Eichenholztisch, auf dem ein großer, kupferfarbener Fleck war. Gretel fand, dass er aussah wie getrocknetes Blut. In einer Ecke kochte ein großer Kessel und über ihn gebeugt stand eine alte Frau mit einer eisernen Fußfessel an ihrem Bein.
    Die Frau drehte sich um. Ihr Gesicht war ledern, ihre Zähne verfaulten in ihrem Mund. Sie sah voller Angst auf die Stufen, die nach oben führten.
    »Wer bist du«, zischte die alte Frau. »Was machst du hier?«
    »Ich bin hier, um meinen Freund zu sehen«, antwortete Gretel. Ihre Stimme zitterte.
    Die Frau starrte sie an. »Du bist ganz allein durch den Wald gekommen?«, fragte sie.
    Gretel nickte.
    »Du armes Mädchen«, murmelte die Frau und trat auf Gretel zu. »Das ist sehr tapfer, alleine so weit zu gehen. Aber du musst fliehen.«
    Gretels Augen weiteten sich vor Angst, doch sie lief nicht weg. »Ich will ihn sehen«, sagte sie.
    Die alte Frau seufzte und berührte Gretels Wange, die von den spitzen Ästen im Wald blutig gekratzt war. »Oh, meine Liebe, hat dein Freund lange, schwarze Haare, grüne Augen mit goldenen Flecken und Lippen so rot wie Blut?«
    Gretel nickte.
    »Dann, meine Liebe, bist du mit deinem eigenen Tod befreundet«, sagte die alte Frau. »Er ist mein Sohn. Aberwelcher Sohn würde seine Mutter als Gefangene halten? Er ist böse – ein böser Zauberer, ein Hexer. Er lädt Mädchen zu sich nach Hause ein und er ...«
    Sind auch wirklich keine kleinen Kinder mehr in der Nähe? Sicher? Seht noch mal unter dem Bett nach. Mittlerweile verstecken sie sich bestimmt unter dem Bett.
    Nein? In Ordnung. Ich hoffe, ihr seid euch wirklich sicher ...
    »Er lädt Mädchen zu sich nach Hause ein, fasst ihnen in den Hals und reißt ihnen die Seele aus dem Körper. Die Seelen hält er in der Gestalt von Tauben in Käfigen gefangen und lässt sie unter der Regenrinne verrotten. Dann hackt er die Körper der Mädchen in Stücke und macht daraus unser Abendessen.«
    Die alte Frau lächelte traurig, streckte die Hand aus und berührte eine Locke von Gretels Haar. »So ein tapferes und schönes Mädchen, aber so dumm.«
    Plötzlich ging oben Krach los. Die Augen der Frau weiteten sich, und ohne ein weiteres Wort schubste sie Gretel hinter einen riesigen Haufen Töpfe und schlich zurück zu ihrem Kessel. In diesem Moment erschien der schöne junge Mann mit den grünen Augen und dem blutroten Lächeln am Treppenabsatz.
    Er hatte ein Mädchen an den Haaren gepackt.
    Lieber Leser: Was jetzt folgt, tut mir sehr leid.
    Er warf das Mädchen auf den Tisch aus Eichenholz und holte aus einem Schrank einen alten, rostigen Eisenkäfig. Dann fasste er mit seiner Hand in den Mund des Mädchens, bis sein Arm tief in ihrem Rachen steckte. Das Mädchen wand sich unter Schmerzen. Langsam zog er eine wunderschöne, weiße Taube aus ihr hervor. Die Taube kämpfte verzweifelt gegen den jungen Mann, als er sie in den schmutzigen Käfig steckte und die Tür zuschlug.
    Der Körper des Mädchens lag still da.
    Jetzt dürft ihr eure Augen zumachen.
    Er hob eine Axt von der Wand, und Gretel, die ihn durch eine Lücke zwischen einem dreckigen Topf und einer noch dreckigeren Pfanne beobachtete, sah, wie ihr wundervoller, lustiger, gut aussehender Freund das Mädchen in Stücke hackte und jedes einzelne Stück in den kochenden Kessel warf. Sein stumpfes Schlachtmesser hob und senkte sich, hob und senkte sich. Ab und zu leckte er sich das Blut von den Händen und ließ jedes einzelne Stück Fleisch in einem hohen Bogen in den Topf segeln.
    Jedes Stück bis auf eines.
    An einem der Finger der linken Hand des Mädchens steckte ein goldener Ring, besetzt mit Rubinen, die so rot funkelten, wie Rubine nur funkeln können. Er versuchte, den Ring abzustreifen, aber es gelang ihm nicht. Wütend hacke er schließlich den Finger ab und warf ihn quer durch den Raum. Starr vor Schreck beobachtete Gretel, wie der Finger über den riesigen Haufen mit dreckigemGeschirr flog, hinter dem sie sich verbarg, und mitten auf ihrem Schoß landete.
    Irgendwie schaffte sie es, nicht zu schreien.
    Der junge Mann nahm den Käfig und ging zum Treppenaufgang.
    »Ich bin gleich wieder da, Mutter«, sagte er. »Sieh, dass der Eintopf dann fertig ist!«
    Kaum war er weg, da beugte sich die alte Frau hinter den Haufen aus Töpfen und Pfannen zu Gretel.
    »Verschwinde, meine Kleine!«, flüsterte sie ihr zu. »Geh nach Hause und komm nie wieder

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