Eine ehrbare Familie
Universitätsstadt arrangiert, um sich dort mit dem Berliner Dialekt und anhand von Stadtplänen und Fotografien mit der Stadt vertraut zu machen, die er nur einmal in seinem Leben besucht hatte.
«Oxford gefällt mir gut, Onkel, obwohl der alte Professor Bucholz und Dr. Meyer strenge Zuchtmeister sind. Und Margaret ist natürlich traurig, daß sie mich nur am Wochenende sieht.»
«Es wäre unklug, wenn sie in Oxford wohnen würde.»
«Das versteht sie natürlich. Trotzdem ist sie traurig.»
Giles schenkte ihm eins seiner seltenen Lächeln, und James erkundigte sich nach C. «Er wird im neuen Jahr seine Arbeit wieder aufnehmen.» Giles klang etwas unzufrieden, als entzöge man ihm einen kleinen Teil seiner Macht. «Er ist hart im Nehmen. Ich sah ihn letzte Woche. Er erinnert mich an ein altes Schlachtroß, das auf den Boden stampft vor Ungeduld, sich wieder ins Kampfgetümmel zu stürzen.»
«Bekomme ich meine endgültigen Anweisungen von C?»
«Offiziell ja, aber ich werde dabeisein.»
«Wieviel Zeit bleibt mir noch?»
Giles sah ihn nicht an. «Wenig. Das Abfahrtsdatum hängt von den Berichten aus Oxford ab. Wir wollen dich erst nach Berlin schicken, wenn wir sicher sind, daß du dort nicht auffällst.»
James grunzte. Er war innerlich bereits voller Ungeduld. «Wie komme ich nach Deutschland rein?»
«Auf die gleiche Art wie nach Friedrichshafen. Nur daß du sofort die Identität wechselst und direkt nach Berlin fährst. Deine neue Identität ist der wichtigste Faktor. Du mußt schon jetzt versuchen, wie ein Deutscher zu denken. Wenn du erst mal dort bist, hast du keine Zeit mehr, dich anzupassen.»
Die Frauen saßen im großen Salon. Als James hereinkam, sagte Sara ihm, Margaret hätte sich in ihr Schlafzimmer zurückgezogen.
«Und wir alle wissen, was das bedeutet», murmelte sie und sah Porter nach, der davonschlurfte, um Caspar zu holen. Vor dieser Unterbrechung hatten die Frauen mit Charlotte gesprochen und versucht, ihr zu helfen. Ihren Kummer zu verstehen war nicht schwierig. Sie alle hatten den Mut von Caspar bewundert und den trostlosen Zustand von Rupert gesehen. Er hatte während der ganzen Ferien mit primitiven Spielsachen gespielt und in der Kirche einen Wutanfall bekommen, der so schlimm gewesen war, daß Miss Briggs, die Kinderschwester, ihn hinausführen mußte.
«Ich habe mich mit meinem Schicksal abgefunden», sagte Charlotte. «Ich kann mit Caspars Verstümmelung leben, weil er damit leben kann. Und Rupert lebt in einer anderen Welt. Nein, meine große Sorge gilt Andrew. Er hat sich völlig verändert.» Und in der Tat, Andrew, dieses fast zu perfekte Beispiel eines Marineoffiziers war nicht mehr wiederzuerkennen. Sara hatte zu ihrer großen Beunruhigung festgestellt, daß er weit über das übliche Maß trank.
Charlotte hatte berichtet, daß er viel zu tun hätte in der Admiralität. «Obwohl Gott allein weiß, ob er seine Arbeit ordentlich macht! Er ist jeden Abend, wenn er nach Hause kommt, halb betrunken.» Dann fragte sie, ob einer der anderen männlichen Familienmitglieder die Rede ihres Schwiegervaters nach dem Weihnachtsessen erwähnt hätte, als die Damen sich schon zurückgezogen hatten. Alle schüttelten den Kopf. «Nun, ich weiß, daß Andrew bereits recht betrunken war, aber er fand, selbst für den engsten Familienkreis sei sein Vater reichlich indiskret gewesen.»
Dann wiederholte sie, was Andrew ihr erzählt hatte.
Nach dem Abendessen hatte Giles sich am Kopfende des Tisches erhoben, Andrew, Charles, James, Roy und Caspar angeblickt und einen Toast ausgebracht. «In unserer Familie gibt es einige Geheimnisse», hatte er begonnen. «Dennoch wissen wir mehr oder weniger über unsere verschiedenen Aufgaben Bescheid. Ich bezweifle, daß es noch eine andere Familie in diesem Land gibt, deren Söhne mit so vielen Schattengestalten arbeiten und die so viele Geheimnisse in ihrem Inneren bewahren. Wir alle sind Mitglieder einer einzigartigen und sehr seltsamen Gesellschaft. Wir leben in einer Welt der Geheimhaltung. Wir sind stolz darauf und hören nicht auf die politischen oder militärischen Auguren, die sagen, unsere Art von Arbeit sei herabwürdigend und verächtlich. Auch sie werden unseren besonderen Beitrag zum Kriegsgeschehen eines Tages verstehen und schätzen lernen. Unsere Arbeit ist ehrenhaft und dient unserem Vaterland. Wir sind eine neue Generation. Eine der Verschwiegenheit verpflichtete Generation. Trinken wir also auf die verschwiegene Generation!»
Caspar
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