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Eine ehrbare Familie

Titel: Eine ehrbare Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gardener
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Augen hatten den Ausdruck eines streunenden Hundes, der sich nach Liebe sehnt, sein Gang war merkwürdig ungeschickt, er trippelte hastig, statt große Schritte zu nehmen, wie es für seine langen Beine normal gewesen wäre.
    In Rouen fiel er niemand auf. Es war so, als sei Otter einzig und allein deshalb in einen vormenschlichen Zustand zurückversetzt worden, um Pflegerinnen und Ärzten als Maskottchen zu dienen. Niemand schrie ihn an oder gab ihm scharfe Befehle, aber er hatte eine rasche Auffassungsgabe und lernte sogar die Grundregeln der Ersten Hilfe.
    Das Pflegepersonal des Hauptverbandsplatzes blieb zusammen und arbeitete auch im Allgemeinen Krankenhaus als Team. Und Otter war immer mit dabei.
    «Entweder kommt seine Erinnerung zurück, oder irgendein blöder Psychiater schnappt ihn sich und dreht ihn durch die Mangel», sagte der Major zu Oberschwester Price.
    Otter hatte eine besondere Vorliebe für Mary Anne, vermutlich weil sie die erste gewesen war, die Mitleid für ihn gezeigt hatte. Häufig trottete er hinter ihr her wie ein treues Hündchen und hatte nie Schwierigkeiten zu verstehen, was sie von ihm wollte.
    Eines Morgens, drei Wochen nach ihrer Ankunft in Rouen, als Mary Anne Wunden verband, wurden einige Verwundete auf Bahren hereingetragen. Die Sanitäter halfen ihnen ins Bett, und kurz darauf kam der Major mit Oberschwester Price, um sich die neuen Fälle anzusehen. Mary Anne fuhr fort, ihren Patienten zu verbinden, war sich aber wohl bewußt, daß der Major am Bett hinter ihr stand.
    «Schrapnellwunden linke Schulter, Fleischwunde linke Backe», sagte die Oberschwester.
    «Mmh.» Der Major beugte sich über den Mann.
    «Heimatschuß, Sir?»
    «Nein, tut mir leid, alter Bursche, in ein paar Tagen können Sie aufstehen und herumlaufen. Wollen mal sehn, wie’s in einer Woche aussieht.»
    «Name, Rang, Nummer, nächste Verwandte?» fragte die Oberschwester barsch.
    «Hunter, Jack, 'Korporal. Zwei-fünf-vier-null-eins-null. Keine Verwandten.»
    Mary Anne blickte sich um. Der Name und die Stimme erinnerten sie an ihre Kindheit. Sie sah den Mann im Bett an.
    Später ging sie zu ihm. «Sie heißen Hunter?»
    «Ja.»
    «Jack Hunter?»
    <    «Haben Sie nicht für meinen Großvater, General Sir William Railton, gearbeitet?»
    «Kann schon sein. Ihr Großpapa, was? Und wer sind Sie? Nein, lassen Sie mich raten, Sie sind Mr. Charles’ kleine Tochter.»
    «Ja. Sie sind also der Hunter, den ich meine, Sie waren Großvaters Guts Verwalter.»
    Er nickte, und sie vermeinte ein freudiges Aufleuchten in «einen Augen zu sehen, weil er jemand von der Railton-Familie wiedertraf.
    Aber es war keine Freude im normalen Sinn des Wortes. Jack Hunter hatte auf diese Gelegenheit lange gewartet. Seit dem Tag, an dem diese hochnäsige Gans, die Frau von Mr. John, ihn vom Gut gejagt hatte, kreisten seine Gedanken nur um eins: Rache, und zwar grausame Rache, an einer Railton zu nehmen.
    James verließ das Haus jeden Tag. Keiner schien sich um Frau Dimpling zu kümmern. Er erklärte ihr seine Lage in einfachen Worten, obwohl sie keine dumme Frau war.
    Sie war achtundzwanzig Jahre alt und hatte Wolfgang als Feriengast in Eastbourne kennengelernt, wo ihr Vater Direktor einer Bankfiliale war.
    Wolfgang war bereits fertiger Ingenieur, erweiterte aber seine Kenntnisse, indem er als Volontär in einer Motorenfabrik in der Nähe von Croydon arbeitete. Seine Eltern, später beide bei einem Brand tragisch ums Leben gekommen, waren gutgestellte Kaufleute. Hetty Fairchild und Wolfgang Dimpling verliebten sich ineinander. Dimplings Vater besuchte Hettys Eltern, und die Heirat wurde beschlossen.
    Seit sie die Nachricht vom vermutlichen Tod ihres Ehemanns erhalten hatte, sorgte sich Hetty Dimpling um ihre Sicherheit, wagte aber nicht, an ihre Eltern zu schreiben, weil sie Angst hatte, daß die Briefe abgefangen würden. Aber unlogisch wie Frauen manchmal sind, hatte sie ans Foreign Office geschrieben. James’ Ankunft erschien ihr wie die Erhörung eines Gebets.
    James hatte ihr natürlich nur die allernötigsten Informationen gegeben. Sie dürfe niemand verraten, daß er bei ihr wohne, sollte jedoch jemand fragen, so sei er ein Herr Gustav Franke, Sohn alter Familienfreunde Dimplings, der gerade aus der Schweiz zurückgekehrt sei.
    Er begriff schnell, daß sie eine junge Frau war, die eine Menge körperlicher Aufmerksamkeit forderte. Er sagte sich, daß es seine Pflicht sei, sie glücklich zu machen, aber nachts wurde er oft durch

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