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Eine ehrbare Familie

Titel: Eine ehrbare Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gardener
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«Verlasse New York ersten Mai auf der Lusitania stop Ankomme Liverpool Siebzehnten stop Alles Liebe Dick.»
    Obwohl er leicht betrunken war, erinnerte sich Andrew ganz genau an eine Unterhaltung, die er zufällig mit angehört hatte.
    Das war vor zehn Tagen gewesen. Er hatte im Vorzimmer des DMI gewartet. Die Tür zum Büro stand einen Spalt offen, und Andrew war erstaunt gewesen, die Stimmen von Lord Fisher und Winston Churchill zu vernehmen.
    «Sind Sie sicher, die Deutschen wissen, daß das Schiff Munition mit sich führt?» hatte Admiral Fisher gefragt.
    «Ich wäre erstaunt, wenn nicht. Jedenfalls wissen sie, wie knapp wir an Munition sind in Frankreich. Besonders nach dem Ypern-Fiasko.»
    «Es besteht also durchaus die Möglichkeit, daß sie wissen, daß sich auf der Lusitania Munition befindet?» wiederholte Fisher seine Frage.
    «Ich bin neunzig Prozent überzeugt davon.»
    «Und Sie sind sicher, daß die deutschen U-Boote sich durchmogeln können?»
    «Sie haben Signale ausgesandt, Sir. Und unsere Radioauffanggeräte haben ermittelt, daß U-Boote in den irischen Gewässern operieren.»
    «Nun, damit ist die Frage erledigt.» Fisher erhob seine Stimme. «Lassen Sie die Lusitania den normalen Kurs einhaken. Ziehen Sie unsere eigenen Schiffe in den letzten vierundzwanzig Stunden auf eine sichere Distanz zurück. Es sieht mir sehr danach aus, als würden die Deutschen angreifen. Was meinen Sie, Winston?»
    «Die Idee, daß viele Unschuldige vielleicht umkommen, flößt mir Grauen ein.»
    «Es braucht mehr als einen Torpedo, um ein Schiff zu versenken. Ich vermute, sie werden blitzartig angreifen und sofort verschwinden. Unsere Kreuzer werden schnell genug zur Stelle sein, um die Überlebenden aufzufischen. Ganz ehrlich, ich glaube nicht, daß es Tote geben wird.»
    «Vermutlich überwiegt der Vorteil bei eventuellen Todesfällen», sagte Churchill. «Ein deutscher Angriff auf einen Personendampfer mit vielen neutralen amerikanischen Passagieren wird auf der ganzen Welt als Barbarismus angeprangert werden.»
    «Und wenn wir Glück haben - falls es überhaupt zu dem Angriff kommt -, wird er Präsident Wilson und die amerikanische Nation von der Notwendigkeit überzeugen, in den Krieg einzutreten.»
    «Ja, Sie haben natürlich recht», erwiderte Churchill. «Wir müssen das Risiko eingehen. Wenn die Lusitania torpediert wird und die Amerikaner sich auf unsere Seite schlagen, dann wird dieser Krieg bald beendet sein. Geben Sie die Befehle, Jacky.»
    «Schon gut, Winston.» Ein lautes Lachen. «Aber schriftlich lege ich mich nicht fest...»
    Der DMI unterbrach. «Überlassen Sie mir das Ganze, Sir. Ich werde die Schiffsroute auf einer Seekarte eintragen, den Geleitschutz abberufen und dafür sorgen, daß die Lusitania sich zur richtigen Zeit an der gefährlichsten Stelle befindet.»
    Die Worte hallten jetzt in Andrews Kopf wider. Weiß Gott, dachte er, der Plan war gut ausgedacht, um Amerika zum Kriegsbeitritt zu überreden. Aber er mochte Sara und wußte, daß sie diesen jungen Mann sehr gern hatte. Sie hatte bereits einen Ehemann verloren, und nun sah es so aus, als ob sie auch den Mann verlieren sollte, der sie noch einmal glücklich machen konnte.
    Als der verstorbene John Railton seinen Gutsverwalter Jack Hunter im Frühjahr 1910 in Pension schickte, wußte jeder in Haversage und Redhill, daß Hunter in Wirklichkeit entlassen worden war. Man wußte auch, daß Sara Railton die treibende Kraft gewesen war und Hunter das Cottage und die Leibrente nur auf Wunsch des Generals bekommen hatte.
    Hunter war 1910 erst dreißig Jahre alt. Er hatte seit seinem vierzehnten Lebensjahr in Redhill gearbeitet. Ein Schützling des Generals, aber... Die Klatschmäuler im Dorf hatten viel über ihn zu sagen. Doch der General besaß einen unorthodoxen Geschmack, allerdings nicht für Knaben oder sehr junge Mädchen wie Hunter. Leben und leben lassen, das war des Generals Motto.
    Hunter mochte den General. Sie verstanden einander, und der alte Mann mischte sich nicht in sein Privatleben ein. Er hatte Hunter eine Menge Dinge beigebracht, eins davon war, Würde zu wahren. Viele fürchteten Hunter, und als er gehen mußte, sagte Vera Boltons Mutter: «Jack Hunter ist nachtragend. Er wird Rache nehmen, selbst wenn er lange warten muß.»
    Aber weder in Haversage noch in Redhill hörte man wieder von ihm. Er zog in sein Cottage, trank ein wenig, grub seinen kleinen Garten um und nährte seinen Zorn. Der einzige Railton, den er je gemocht

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