Eine ehrbare Familie
Charles Railton eine Nacht im Gras liegend verbracht hatte, war dieser Tee so anregend wie Champagner.
Aber seine Sorgen konnte er nicht vertreiben.
Charles hatte den Golfplatz erst verlassen, nachdem er sich vergewissert hatte, daß die anderen in der Morgendämmerung verschwunden waren.
Um acht Uhr fünfzehn erschien Brian Wood und grinste Charles an. «Sie werden es nicht für möglich halten...» Dann bemerkte er den diensthabenden Sergeanten und folgte Charles in eines der Büros.
«Dreiste Halunken.»
«Also was ist?» fragte Charles ungeduldig.
«Unser Besucher hat sich kurz nach sieben Uhr fünfzehn ins Register des Hotel de Paris eingetragen. Sklave trennte sich ungefähr einen Kilometer vor der Stadt von ihm und ging übers Feld zu seiner Arbeitsstätte. Der Deutsche schlenderte umher, endete am Bahnhof, wartete dort, bis der erste Zug ankam, und ging dann frech wie Oskar wieder ins Hotel.»
«Haben wir die Eintragung überprüft?»
«David Partridge ist gerade dabei.» Wood zog eine goldene Uhr aus der Westentasche. «Er sagt, die Hotels seien es gewohnt, daß er frühmorgens bei ihnen auftaucht und die Eintragungen nachprüft. Er kenne die meisten von der Nachtschicht. Beim Haus der Churchills hat sich nichts ereignet. Ich habe mit Dobbs kurz gesprochen.»
Partridge ließ nicht lang auf sich warten. «Ich habe eine große Überraschung für Sie. Die Person, die mit dem Flugzeug angekommen ist, sah doch wie ein Mann aus, nicht wahr? Langer Mantel, Hut und so. Ist aber kein Mann, sondern eine Frau.»
«Also, ich wäre jede Wette eingegangen...» Brian Wood schüttelte den Kopf. «Ich war doch da und hab gesehen...»
«Findlater, einer meiner Leute, war nah genug, um zu sehen, wie die Verdächtige die Straße überquerte und aufs Meer schaute. Dabei setzte sie ihren Koffer ab, nahm den Hut ab und schüttelte ihre Haare - lange blonde Haare, sagt Findlater. Auch beschreibt er sie als einen niedlichen Käfer, wenn Sie wissen, was ein niedlicher Käfer ist, Partridge.»
Das Mädchen hatte sich als Miss Madeline Drew aus London, Chelsea Mansions 35, eingetragen. «Sie hat schon vor einem Monat ein Zimmer im Hotel de Paris gebucht», teilte Partridge ihnen mit. «Angeblich ist sie eine Gouvernante in Ferien. Ich habe einen meiner Leute im Hotel zurückgelassen.»
Charles sagte zufrieden zu Wood: «Ich wünschte, wir hätten Partridge bei der Geheimpolizei.»
Wood nickte. «Werde sehen, was sich tun läßt, sobald wir diese Sache hinter uns haben. Wie gefällt Ihnen die Idee, David?»
«Sehr gut!» Partridge klang plötzlich aufgeregt wie ein Schuljunge. «Ich könnte mir nichts Besseres vorstellen, Sir.»
Wood blickte gedankenvoll aus dem Fenster. «Die Frage ist, was tun wir nun?»
Charles seufzte. «Warten, wie immer. Und Befehle von oben entgegennehmen.»
Am dritten Tag gerieten sie in leichte Aufregung, als Miss Drew an dem von Churchill gemieteten Haus klingelte.
«Sie hat sich erkundigt, ob sie eine Gouvernante brauchen», berichtete Partridge. «Mrs. Churchill hat sie sogar empfangen.»
«Selbst wenn sie keine Stellung bekommt, ist ihr Gesicht den Dienstboten bekannt.»
Charles hatte den Eindruck, daß die ganze Sache sehr sorgfältig geplant war. Bald würde etwas geschehen, dachte er. Die anderen waren nicht so sicher.
«In wenigen Tagen ist Neumond», gab Wood zu bedenken. «Selbst der beste deutsche Flieger kann den Nachtflug nicht vor dem nächsten Monat wagen.»
«Und die Churchills fahren Ende nächster Woche nach London zurück», erwiderte Charles. «Ich glaube, wenn etwas passiert, dann sehr bald. Vielleicht sogar noch heute nacht. Ich bin der Meinung, daß wir diese Drew verhaften sollten, wenn sie noch mal im Haus der Churchills vorspricht.»
Wood dachte einen Moment nach. «Sollte es ihr gelingen, Mrs. Churchill zu entführen, wie bringt sie sie außer Landes?»
«Haben Sie schon mal was von Schiffen gehört?»
Nichts passierte in dieser Nacht, noch in der nächsten. Doch am folgenden Nachmittag schlug Partridge Alarm. Er berichtete, daß Sklave seine Routine durchbrochen habe. Es war der freie Tag des Kellners und er war seit zwei Wochen nicht in Norwich gewesen. «Doch heute ist er nicht hingefahren wie gewöhnlich. Er blieb den ganzen Tag auf seinem Zimmer.»
Charles blickte auf die graublaue Nordsee. Ihm war höchst ungemütlich zumute.
Am Spätnachmittag sprach er mit Kell, und sie trafen weitere Vorkehrungen. Eine Infanteriekompanie, die in der Nähe
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