Eine eigene Frau
Versteigerung von E. Hurme ab.
Verdient 986,10.
Joel, 26
Vartsala, März 1910
Der Arbeiterverein Vartsala brachte gegenüber dem Betriebsleiter des Sägewerks Vartsala seine strikte Missbilligung darüber zum Ausdruck, dass er zwei Fuhrmänner entlassen hat, die schon seit mehreren Wintern für das Sägewerk Stämme fahren. Ferner beschloss die Versammlung, dass eine Abordnung von drei Mann gewählt wird, die zum Direktor geht und fragt, aus welchem Grund die zwei Fuhrmänner diesen Winter nicht mehr gut genug sind, um für das Sägewerk Stämme zu fahren. So sie sich nichts haben zu Schulden kommen lassen gegenüber der Firma oder dem Betriebsleiter, wollen die Arbeiter von Vartsala eine Erklärung für diesen Vorgang …
Joel ist nach der Versammlung im Hinterzimmer des Genossenschaftsladens geblieben. Er schreibt das Protokoll ins Reine. Seit Lennu Lindroos zwei Finger der rechten Hand in der Säge verloren hat, fällt Joel diese Aufgabe zu.
Lennus Tochter Hilma wartet, bis der Eintrag fertig ist, um das Buch anschließend ihrem Vater zu bringen. Sie schaut Joel über die Schulter und sagt, er habe eine entsetzliche Schrift. Und die Wörter sind auch falsch geschrieben.
»Die sind richtig genug.« Joel taucht die Feder in die Tinte und macht mit dem vierten Absatz weiter. Er schlägt vor, dass Hilma sich als Nächstes um den Sekretärsposten bewirbt.
Hilma lacht geringschätzig. Sie sagt, sie wolle lieber Lehrerin werden, damit sie dumme Jungen ordentlich zausen dürfe. Um ihre Worte zu bekräftigen, zieht sie Joel an den Nackenhaaren. Er stößt ihre Hand weg. Er hat ihr schon oft erklärt, sie solle sich nicht an ihn hängen. Er habe nämlich Besseres zu tun, als kleine Mädchen zu hüten und den fehlenden großen Bruder zu vertreten.
»Und die Zeilen schwanken hin und her wie Bullenpisse«, prustet Hilma.
Joel sagt, es sei nicht wichtig, wie die Zeilen aussähen.
»Ach ja? Was ist dann wichtig?«
Hilma versucht Joels Blick einzufangen und lächelt kokett.
»Die Verhältnisse sind wichtig.«
Joel reinigt die Feder mit einem fleckigen Lappen. »Dass man selbst etwas unternimmt, um die Verhältnisse zu korrigieren, die eindeutig verkehrt sind, dass man Stellung bezieht, dass man, verdammt noch mal, in einer Front den Herren entgegentritt.«
»Aha. In einer Front. Klingt schön.«
Hilma setzt sich neben dem Protokollbuch auf den Tisch. Sie wickelt eine Haarsträhne um den Finger und lehnt sich zurück. Joel stößt Protokollbuch und Tintenfass von sich und kommandiert das Mädchen weg vom Tisch.
Und aus dem Zimmer.
»Und wohin?«
Joel befiehlt ihr, nach Hause zu gehen und dort mit Puppen zu spielen. Hilma erwidert, das werde sie bestimmt nicht tun. Daheim sei es trostlos. Entsetzlich, schrecklich, erschütternd langweilig und trostlos.
Joel weiß, dass man mit der Tochter von Lennu Lindroos keine Spielchen treiben darf, so aufdringlich sie auch sein mag. Das hat Lennu unter den Männern mit einigen düsteren Drohungen klargemacht.
»Das Mädchen richtet sich auf eine Art her, dass … Kaum kehrt man ihr den Rücken zu, streckt sie den Vorbau raus. Aber Gnade dem Kerl, der seine Finger nicht von unserm Mädchen lässt!«
Natürlich möchte Joel die Finger von ihr lassen, aber es ist Hilma, die ihm hinterherrennt, nicht umgekehrt. Joel ist in Lennus Tochter nicht verliebt, eigentlich kann er sie nicht mal ertragen. Hilma ist ein hübscher Wildfang, pfiffig und zugleich schauerlich blöde. Es gibt bei ihnen nicht mal den Ansatz für gemeinsame Interessen. Außer natürlich für das eine Interesse, was aber Lennu verzweifelt zu verhindern sucht.
Ja, abgesehen davon kann man feststellen, dass Joel das Mädchen nahezu verabscheut. Aber was hilft es schon, so etwas festzustellen? Die zügellose, zudringliche Hilma Lindroos hat in Joels Fantasie die goldhaarigen oder dunklen oder rundlichen Mädchen aus der Marktgemeinde ebenso überflügelt wie das vollbusige Ladenfräulein im Genossenschaftsladen Vartsala.
»Jetzt aber runter vom Tisch!«
Hilma verdreht unschuldig die Augen. Wo soll sie denn sonst sitzen? Nach der Versammlung sind ja alle Stühle weggeräumt worden. Soll sie sich vielleicht bei ihm auf den Schoß setzen?
Mit dem Fuß berührt sie Joels Oberschenkel. Joel schnürt es die Kehle zusammen. Er ist gezwungen, ein Bein über das andere zu schlagen.
»Verflixt noch mal, da kommt aber auch kein Wort an, das man sagt.«
»Es kommt schon an, es wirkt bloß nicht.«
Und wieder berührt
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