eine Elfenromanze
aufstehen zu können. „Ich danke Euch für Eure Rettung“, sagte sie an den Krieger gewandt und mit einem Seitenblick auf den Elfen fügte sie hinzu: „Doch jetzt muss ich wieder zurück ... arbeiten.“
„Schade“, meinte Liones, als sie sich abwandte. „Ich hätte mich sehr über Eure Gesellschaft gefreut.“
Selina blieb stehen. „Ich kann nicht“, erklärte sie, ohne ihn anzusehen. Nein, sie konnte wirklich nicht, selbst wenn sie gewollt hätte. Die Pflicht rief. Zweifelnd sah sie hinüber zur Theke, wo sich einige Männer um Baldo scharten, der eben wieder zu Bewusstsein gekommen war. Plötzlich erschien ihr Tisch Nummer fünf wie eine schützende Festung inmitten der Brandung rachsüchtiger Betrunkener. Egal, was Liones Emnesthar und Harras von ihr wollten, sie würden auf jeden Fall zivilisierter mit ihr umgehen, als diese Horde an der Theke. Langsam sank sie wieder auf den Stuhl nieder.
Liones verbarg ein Lächeln.
„Selina! Was soll das?“, dröhnte es plötzlich über das Stimmengewirr in der Wirtsstube hinweg. Selina erstarrte zur Salzsäule. Wenn sie geglaubt hatte, dass es ihr in Baldos gewaltsamer Umarmung schlecht ergangen war, so wurde ihr jetzt klar, dass das in keinem Vergleich zu dem stand, was ihr nun drohte. Sie wagte es nicht, sich umzudrehen, doch sie konnte förmlich fühlen, wie Bruna sich wutschnaubend hinter ihr aufbaute.
„Überlasst das mir“, flüsterte Liones ihr zu. Die Worte drangen nicht wirklich in das Gedankenchaos vor, das in diesem Moment in Selinas Kopf herrschte, doch sie war ohnehin unfähig, der Wirtin zu antworten. ‚Sie wird mich feuern!’, raste es immerwährend durch ihren Kopf. ‚Sie wird mich ganz sicher feuern!’
„Stimmt es, dass du dem armen Baldo eins übergezogen hast?“, grollte Bruna. „Und warum bist du nicht vorn an der Theke und betreust die Gäste?“
„Verzeiht, gnädige Frau“, meldete sich Liones zu Wort. „Es ist meine Schuld! Ich habe Selina gebeten, sich an meinen Tisch zu setzen, um sich von den derben Handgreiflichkeiten dieses Baldo zu erholen. Es war mein Vertrauter hier, der den Mann niedergeschlagen hat. Doch Ihr werdet vielleicht verstehen, dass wir nicht tatenlos mit ansehen konnten, wie er sich an einem wehrlosen Mädchen vergeht.“
Bruna beäugte den Elfen missmutig. „Gut, gut“, murrte sie schließlich. „Aber jetzt brauch ich sie wieder für den Ausschank!“
Liones registrierte, wie Selina dazu ansetzte, aufzustehen. Er musste schnell handeln.
„Ihr würdet Eurer Magd unter solch widrigen Umständen doch eine Pause gönnen.“ Er bemühte sich, seiner Stimme nur so viel Nachdruck zu verleihen, um der Frau klar zu machen, dass jede Widerrede auf sein Unverständnis stoßen würde, und es doch nicht wie einen Befehl klingen zu lassen.
„Nein“, knurrte die Wirtin.
Der Elf beschloss, seinen letzten Trumpf auszuspielen. „Ich wünsche, dass Selina mir Gesellschaft leistet, solange sie es will. Würdet Ihr Liones Emnesthar, Sohn des Grafen Leothan Emnesthar, diesen Wunsch verwehren?“ Liones sprach seinen Namen und seine Abstammung betont laut und deutlich aus und beobachtete aufmerksam das Mienenspiel der Wirtin. Er spielte dieses Spiel nicht zum ersten Mal und wusste bereits, dass er gewonnen hatte, bevor Bruna aufgeregt losschnatterte: „Natürlich nicht, mein Herr! Verzeiht, mein Herr! Kann ich Euch noch etwas bringen?“
„Ja. Bringt uns eine weitere Karaffe Rotwein und ein Glas für die junge Dame!“
Bruna nickte eifrig und verschwand.
„Erbärmliche Heuchlerin“, zischte Harras und zwinkerte seinem Herrn zu.
Liones kicherte ausgelassen.
Nur Selina konnte sich der allgemeinen Heiterkeit nicht anschließen. Sie wurde aus den beiden Männern nicht recht schlau.
Bruna brachte den Wein und drei frische Gläser. Liones goss zuerst Selina und dann Harras und sich selbst ein.
„Verzeiht, dass ich Eure mutigen Taten so schändlich geschmälert habe“, sagte der Elf an Selina gewandt, sobald die Wirtin sich wieder entfernt hatte. „Es stand mir nicht zu, eine selbstsichere, wehrhafte Dame wie Euch derart hilflos und bemitleidenswert darzustellen.“
Selina war geneigt, ihm vor Augen zu führen, wie schamlos er übertrieb. Immerhin fühlte sie sich auch jetzt noch reichlich hilflos. Doch sie beschloss, bei ihrer kühlen, reservierten Art zu bleiben. „Nun, immerhin habt Ihr erreicht, was Ihr wolltet“, behauptete sie trocken. „Ihr habt mich zur Gesellschaft.“
„Solange Ihr es
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