Eine ewige Liebe
hatte meine Mutter derart scharf mit einer der Schwestern gesprochen. Das war ungefähr so, als würde sie verkünden, in derWate-Familie sei der DritteWeltkrieg ausgebrochen.
Tante Prue schien das nicht im Geringsten zu beeindrucken. Sie lachte nur.
»Ausgelaufenen Sirup kriegt man nicht mehr ins Glas zurück, Lila Jane. Du weißt, es ist die Wahrheit, und du hast kein R echt, sie deinem Jungen vorzuenthalten.« Tante Prue sah mich entschlossen an. »Komm mit. Es gibt da jemanden, den du kennenlernen solltest.«
Mom starrte sie an. »Prudence …«
Tante Prue warf ihr einen Blick zu, der ein ganzes Blumenbeet hätte verdorren lassen können. »Nenn mich nicht Prudence . Du kannst es nicht mehr aufhalten. Und dahin, wo wir hingehen, kannst du nicht mitkommen, Lila Jane. Im Grunde wollen wir beide nur das Beste für den Jungen, und das weißt du auch.«
Das war ein typischer Schwestern-Streit, einer von der Sorte, bei der man schon verloren hatte, wenn man auch nur blinzelte.
Einen Moment später gab meine Mutter auf. Ich würde wohl nie erfahren, was dieser stilleAustausch von Blicken zwischen ihnen zu bedeuten hatte, und wahrscheinlich war es auch besser so.
»Ich warte hier auf dich, Ethan.« Sie sah mich an. »Bitte pass auf dich auf.«
Tante Prue lächelte triumphierend.
Einer der Harlon Jameses begann zu knurren. Dann gingen wir so schnell den Fußweg entlang, dass ich beinahe nicht mithalten konnte.
Ich folgteTante Prue und den kläffenden Hunden in dieAußenbereiche des Immerwährenden Friedens, vorbei am perfekt restaurierten Südstaaten-Herrenhaus der Snows, das genau an der Stelle stand, an der sich ihr protziges Mausoleum auf dem Friedhof der Lebenden befand.
» Wer ist gestorben?«, fragte ich meineTante. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass irgendetwas auf Erden stark genug war, um Savannah Snow unter die Erde zu bringen.
»Ururgroßvater Snow, lange bevor du in die Windeln gemacht hast. Das Haus steht hier schon ewig. Das älteste Grabmal in der ganzen R eihe.« Sie schlug den Weg ein, der um das Haus herumführte, und ich folgte ihr.
Wir gingen zielstrebig zu einem alten Schuppen hinter dem Haus, dessen morsche Bretter kaum noch das verwitterte Dach hielten. Das Holz wies Farbflecken auf, auch wenn ganz offensichtlich jemand versucht hatte, sie abzukratzen.Aber man hätte kratzen können, so viel man wollte, den Farbton, den auch unser Haus in Gatlin hatte, kriegte man nie ganz weg. Dieses gewisse Blau, das die Geister fernhalten sollte.
»Tante Prue, wohin gehen wir? Ich habe so die Nase voll von den Snows, dass es für mehr als ein Leben reicht.«
Sie warf mir einen finsteren Blick zu. »Ich hab’s dir doch gesagt.Wir besuchen jemanden, der über diese ganze vertrackte Sache mehr weiß als ich.« Sie griff nach dem abgenutztenTürgriff des Schuppens. »Du kannst froh sein, dass ich eine Statham bin und dass die Stathams mit Gott und derWelt bestens auskommen, sonst hätten wir keine Menschenseele, die uns dabei hilft, die Dinge wieder ins Lot zu bringen.« Ich brachte es nicht fertig, meineTante anzuschauen. Ich hätte sonst laut losgelacht angesichts derTatsache, dass sie mit überhaupt niemandem auskam, jedenfalls mit niemandem aus dem Gatlin, das ich kannte.
»Ja, Ma’am.«
Sie betrat den Schuppen, der sich in nichts von einem ganz gewöhnlichen Schuppen unterschied.Aber wenn ich jemals etwas von Lena und ihrerWelt gelernt hatte, dann dass nichts so war, wie es schien.
Ich folgteTante Prue – und den Harlon Jameses – ins Innere des Schuppens und schloss dieTür hinter uns. Durch die Ritzen im Holz fiel gerade genug Licht, dass ich erkennen konnte, wie meineTante im Halbdunkel nach etwas griff, das wie einTürknauf aussah.
Es war eine geheimeTür wie die in den Caster-Tunnel.
» Wohin gehen wir?«, fragte ich noch einmal.
Tante Prue hielt inne, ihre Hand lag auf dem eisernen Knauf. »Nicht alle Leute haben das Glück, im Garten des Immerwährenden Friedens begraben zu werden, EthanWate. Die Caster haben ebenso ein R echt auf eineAnderwelt wie wir, meinst du nicht auch?«
Mühelos drückte sie dieTür auf und wir betraten den Strand einer felsigen Küstenlinie.
Dort befand sich ein Haus, das geradezu amAbgrund balancierte, so nahe stand es am Rand einer Klippe. Das verwitterte Holz war von demselben tristen Grau wie die Felsen, sodass es wie aus Stein gehauen wirkte. Es war klein und schlicht und leicht zu übersehen, wie so viele Dinge in jenerWelt, die ich hinter mir
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