Eine fabelhafte Liebesgeschichte (German Edition)
ihnen. Dicke Striche verdichteten sich zu einem Kunstwerk, das aus vielen Rundungen und sauber geschwungenen Linien bestand. Ein solches Werk konnte nicht einfach aus dem Nichts entstehen. Ohne Zweifel!
Die Striche waren teilweise so dick, dass die winzige Maus, wie in einer Rennbahn darin herumlaufen konnte. Der Künstler kam ganz ohne Ecken aus. Viel spannender war jedoch, womit er die Striche auf den Sand malte. Man konnte keine Fußspuren in der Nähe entdecken. Es gab dem unbekannten Künstler etwas Mysteriöses.
„Wie und warum malt jemand so etwas Schönes in den Sand?“ fragte die Maus.
Der Tiger hatte durch seine Größe einen wesentlich besseren Überblick und erfasste das komplette Gemälde.
Es war eine sehr realistisch dargestellte Frau, die irgendwie traurig dreinblickte. Hoffnungsvoll faltete sie ihre Hände, auf ihrem Kopf trug sie einen Heiligenschein.
Die Striche waren so realistisch, dass sie einem Foto glichen.
„Unglaublich wie so etwas in diesem leblosen Untergrund entstehen kann.“ dachte sich der Tiger.
Am Ende des Heiligenscheins entfernte sich ein nicht enden wollender Strich. Er ging in südliche Richtung.
„Lass uns dem Geheimnis auf den Grund gehen!“ sprach der Tiger.
Die Maus saß auf die Schultern des Tigers, um das Spektakel besser überblicken zu können.
Immer noch war der dicke Strich sehr geschmeidig und kurvig. Nahezu niemals hatte er einen geraden Abschnitt. Wenige Minuten später erschien ein weiteres Gemälde, das sich sehr von dem ursprünglichen unterschied.
Diesmal war es weniger sorgfältig gemalt, weniger geschwungen und mehr ineinander verworren. Die Striche erschienen nun verschwommen und nicht mehr fotoähnlich. Man erkannte eine Vase, in der einige Sonnenblumen waren. Sehr schlicht und trotzdem auf eine bestimmte Art und Weise besonders!
„Impressionismus!“ Sprach die Maus.
„Ich erkenne dieses Bild! Es ist ein Van Gogh!“
An der größten Sonnenblume entsprang erneut eine Linie, die Richtung Süden verlief.
Voller Erwartung folgten die beiden und erwarteten schon das nächste Gemälde. Nun dauerte es ein bisschen länger, bis das nächste Kunstwerk erschien. Vom Stil her hatte es mehr Ähnlichkeit mit dem zweiten, es setzte weniger auf Genauigkeit und mehr auf Gefühl. Ein Pferd stand im Vordergrund. Es war sehr vereinfacht gemalt, ohne jegliche Details oder realistische Präzision. Alles ganz ohne Farbe und Leinwand. Im Hintergrund befanden sich ein paar geschwungene Linien, die wohl eine bergige Umgebung darstellen sollten.
„Das könnte „Der Blaue Reiter“ sein!“ sprach die Maus.
Der Tiger hatte keine Ahnung davon. Er mochte Bilder, doch wozu eine Wissenschaft daraus machen?
Dieses Bild war neuer. Der Sand war noch frisch zerwühlt und noch nicht getrocknet. Offenbar näherten sie sich dem mysteriösen Maler. Auch bei diesem Gemälde entfernte sich eine Linie.
„Wir laufen in die falsche Richtung.“ murmelte der Tiger und wartete vergeblich auf eine Antwort.
Eigentlich wollten sie heute einige Kilometer nach Norden zurücklegen. Bärlin war schließlich nicht mehr weit.
Die beiden fühlten sich wie Entdecker, die auf der Suche nach einem Schatz waren. Spannung, Ungewissheit und ein Schuss Angst durchflutete die Tiere. Was es auch war. Es war unglaublich schön!
Ein viertes Gemälde erschien. Wieder unterschied es sich erheblich von den vorherigen Kunstwerken. Die Striche waren diesmal geradlinig und hatten viele Ecken. Sie waren nicht mehr verschwommen, sondern exakt und realistisch. Jedoch glich es nicht dem ersten Bild.
Eine Fleischkonservendose schien das eckige Gebilde darzustellen. Auch hier waren keinerlei Spuren zu erkennen- wie aus Geisterhänden entstanden.
„Campbells“ stand auf der Dose geschrieben.
„Heißt so vielleicht der Künstler?“ fragte der Tiger.
„Wahrscheinlich nicht! Campbells ist der Hersteller von Tomatensuppe. Es ist ein Gemälde aus der Pop Art!“
„Woher weißt du das immer?“
„Allgemeinbildung“ zwinkerte die Maus.
Erneut endeten die Linien nicht an diesem Bild.
„Will uns hier jemand an der Nase herumführen?“ fragte sich die Maus und kam sich ein bisschen naiv vor.
Irgendwie stumpfsinnig folgten sie ein viertes Mal einer in südlicher Richtung verlaufenden Linie. Keinerlei Fußabtrücke und keinerlei Baumkronen, von denen aus man hätte zeichnen können.
Plötzlich erschien ein grüner Schwanz, der offensichtlich die Linie formte. Der Besitzer des Schwanzes war bereits
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