Eine Familie für Julianne
ein bisschen vor Ihnen angeben.“
Als Pippa sie anlächelte, wurde ihr trotz der Müdigkeit warm ums Herz. Kevin hob die Kleine hoch, und Julianne streifte ein Hauch seines warmen, sehr männlichen Dufts. Wow.
„Schlafen Sie immer hier?“, fragte er.
Sie zuckte die Achseln. „Es ist einfacher so.“
„Und Ihr Vater kann nicht aushelfen wegen seines Rückens?“
Eine Fangfrage, aber zum Lügen war sie einfach zu müde. „Er hört sie nicht“, sagte sie lahm. „Bis ich ihn aufgeweckt habe, bin ich wach genug, um mich selbst um sie zu kümmern.“
„Also haben Sie nicht richtig geschlafen, seit … seit Robyn.“
„Robyn hatte auch einen sehr festen Schlaf.“ Unter Kevins prüfendem Blick wurde ihr ungewöhnlich warm.
„Gehen Sie wieder ins Bett“, sagte er leise, und sie blickte zu ihm auf und dachte unzusammenhängend: Sei nicht nett zu mir, sonst werde ich dir vielleicht wehtun.
„Sie braucht ihre Flasche“, wandte sie ein.
„Julianne, ich habe mich um die drei Monate alten Zwillinge meines ältesten Bruders gekümmert, als seine Frau sich den Knöchel gebrochen hatte und er zur Nachtschicht musste. Glauben Sie mir, ich weiß, wie man ein Fläschchen gibt. Wie viel bekommt sie?“
„Die ganze Flasche“, erwiderte Julianne automatisch.
„Wie oft?“, fragte Kevin stirnrunzelnd.
„Keine Ahnung. Alle zwei bis drei Stunden? Was denn?“, fragte sie, als Kevin sie entgeistert anstarrte.
„Kein Wunder, dass sie nachts so oft aufwacht. Das Mädel hat einfach Hunger.“
Julianne schaute zu Pippa, die sie anklagend anstarrte, dann wieder zu Kevin. „Der Arzt hat gesagt, dass sie erst ab sechs Monaten feste Kost bekommt.“
„Na, da können Sie ja mal meine Schwägerin fragen, wie ihre Kinder das fanden“, sagte er lachend. „Das hier ist eine Vaccaro, meine Liebe. Wahrscheinlich träumt sie nachts von Lasagne. Wir müssen mal was Ordentliches in diesen süßen Bauch bekommen, was, mein Schatz?“
Trotz der Müdigkeit spürte Julianne Ärger in sich aufsteigen. „Entschuldigen Sie mal, Sie Schlauberger, ich habe mich vierundzwanzig Stunden um dieses Kind gekümmert, seit sie auf der Welt ist. Wie können Sie es wagen, hier hereinzuschneien und mir Ratschläge zu geben, als hätten Sie die Kindererziehung neu erfunden?“
Sie versuchte, ihm Pippa abzunehmen, doch gegen seinen sicheren Griff kam sie einfach nicht an.
„Julianne“, sagte er ruhig, „ich habe gar nichts erfunden. Und ich wollte Ihnen nicht auf die Füße treten. Ich meine doch nur, dass es nicht schaden könnte, wenn wir es mal mit in Milch aufgeweichten Reiscrispies probieren oder so. Fragen wir doch einfach den Arzt danach. Okay? Okay?“, wiederholte er, als sie nicht antwortete.
Als Julianne schließlich nickte, seufzte er erleichtert. „Und jetzt ab ins Bett mit Ihnen. Sie sehen schrecklich aus. Pippa und ich kommen schon klar. Ich verspreche auch, dass ich ihr zum Frühstück keine Spiegeleier mit Speck mache.“
Wenn sie nicht so wütend, verwirrt und müde gewesen wäre, hätte sie vielleicht sogar gelächelt. Stattdessen gähnte sie.
„Aber müssen Sie nicht zur Arbeit?“
„Heute ist Samstag.“
Lieber Himmel, jetzt wusste sie schon nicht mehr, welchen Wochentag sie hatten. Sie nickte und ging zur Tür, blieb aber noch einmal stehen.
„Gegen zehn schläft sie wieder, aber nur eine Stunde oder so …“
„Verstanden.“
Dann fiel ihr noch etwas ein. „Sie werden doch nicht …“ Verlegen schlug sie die Hand auf den Mund.
„Mich mit ihr aus dem Staub machen? Nein. Ich hatte nicht vor, wegen Kindesentführung zwanzig Jahre ins Gefängnis zu gehen.“
„Tut mir leid“, sagte sie, das Gesicht flammend rot. „Es ist nur …“
„Ich weiß“, erwiderte er sanft. „Schon gut. Und jetzt gehen Sie schlafen. Vor Mittag will ich Sie nicht sehen, verstanden?“
Das ließ sie sich nicht zweimal sagen.
Ist wohl eine Weile her, dass die Küche renoviert worden ist, dachte Kevin, als er die senfgelben Schränke und beigefarbene Spüle sah. Doch während er mit Pippa auf dem Arm verschiedene Türen öffnete, um ihr Fläschchen und das Milchpulver zu finden, bemerkte er auch die Farbmuster und den Ordner mit dem Titel „Küchenrenovierung“ auf der Arbeitsplatte.
„Sie sind früh auf.“
Überrascht drehte sich Kevin zum Tisch um. Dort saß Victor mit der Zeitung vor der Nase, an der vorbei er ihn grimmig anschaute.
„Dank unseres kleinen Weckers hier“, erklärte Kevin. „Obwohl ich sonst
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