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Eine fast perfekte Lüge

Eine fast perfekte Lüge

Titel: Eine fast perfekte Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dinah McCall
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sich Felipe Sosa nannte, gerade dabei, mit einer Heckenschere die kunstvoll geschnittenen Hecken zu stutzen. Er trug einen Schlapphut aus Stroh, weit geschnittene Jeans und pfiff bei der Arbeit fröhlich vor sich hin. Er wusste zwar, was im Innern des Hauses passiert war, aber es hatte nichts mit dem Grund seiner Anwesenheit hier zu tun. Deshalb arbeitete er eifrig und war bemüht, den Blicken aller, die ein Polizeiabzeichen trugen, auszuweichen. Nach dem Vorfall war er mit einem mulmigen Gefühl bei der Arbeit erschienen, aber fernzubleiben hätte er sich nicht leisten können. Wenn er nicht aufgetaucht wäre, hätte man ihn automatisch auf die Liste der Verdächtigen gesetzt, und dann wäre die Polizei zu ihm nach Hause gekommen. Und das wäre eine Katastrophe gewesen, da er auf keinen Fall seine Papiere oder seine Greencard vorzeigen wollte. Immerhin war er fünfzehn Jahre jünger als der echte Felipe Sosa, der bei seinem letzten Atemzug gerade Tortillas und Bohnen verspeist hatte. Und bei genauerem Hinsehen sah man sicher auch, dass er noch nicht so alt war. Aber der Mann, der ihm die falschen Papiere verschafft hatte, hatte ihm versichert, dass für die Weißen alle Latinos gleich aussähen. Deshalb verhielt er sich so unauffällig wie nur möglich und bewegte sich wie ein kleiner brauner Vogel durch die kunstvoll gestaltete Parkanlage, ohne zu wissen, dass man ihm bereits auf der Spur war.
    Der Lärm und der Gestank in dem Gefängnistrakt waren eine Beleidigung für Miguel Calderones Sinne und ärgerten ihn ungeheuer. Diese dramatische Verschlechterung seiner Lebensumstände hatte er nur einem einzigen Mann zu verdanken – Jonah Slade.
    In hilfloser Wut schlug er mit der flachen Hand gegen die Zellenwand, dann drückte er seine Stirn gegen seine Matratze. Alejandro. Sein ältester Sohn. Sein bester Sohn. Gestorben durch Slades Hand.
    Heißer Schmerz wallte in ihm auf und löschte alle Bedürfnisse aus – bis auf das eine: Rache. Die Notwendigkeit, sich mit Hilfe seines mit allen Wassern gewaschenen Anwalts auf seine Gerichtsverhandlung vorzubereiten, war hinter dem brennenden Wunsch, Alejandros Tod zu rächen, vollkommen in den Hintergrund getreten. Die Gelegenheit zur Rache hatte sich ergeben, als er sie am dringendsten gebraucht hatte. Bloß gut, dass der
Snowman
ausgepackt hatte. Er, Miguel Calderone, würde sich auf seine Weise erkenntlich zeigen. Doch vorher würde Jonah Slade bezahlen, und zwar so, dass er sich wünschen würde, nie geboren worden zu sein. Und bevor Slade starb, würde er mit ansehen müssen, wie sein eigener Sohn verblutete. Es war dieser Schwur, der Calderone davor bewahrte, den Verstand zu verlieren.
    „He, Calderone, Besuch! Mitkommen.“
    Calderone schaute auf. Der Wärter an der Zellentür war ein unverschämter Kerl, den er gleich auf den ersten Blick gehasst hatte, aber im Moment blieb ihm nichts anderes übrig, als sein Spiel mitzuspielen. Wichtig war, dass er nicht die Nerven verlor. Deshalb streckte er jetzt dem Mann mit gleichmütigem Gesicht die Hände hin, um sich die Handschellen anlegen zu lassen. Dann ließ er sich in den Besucherraum führen. Der Wärter war für ihn nicht mehr als eine lästige Fliege, und er war entschlossen, sich zu keiner Unbedachtheit hinreißen zu lassen, wo doch für ihn so viel Größeres auf dem Spiel stand.
    Da Calderone davon ausgegangen war, dass es sich bei seinem Besuch um seinen Anwalt handelte, versuchte er sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen, als er in dem Besucherraum eine Nonne am Tisch sitzen sah. Mit den Handschellen war es nicht ganz einfach, sich zu bekreuzigen, aber er schaffte es.
    „Setzen“, befahl der Wärter und schob ihm einen Stuhl unter, dann schaute er die Nonne an. „Und Sie bleiben, wo Sie sind. Keine Berührungen. Verstanden?“
    „Ja, mein Sohn, und vielen Dank“, entgegnete die Ordensschwester und lächelte den Wärter wohlwollend an, der jetzt ein paar Schritte zurücktrat und vor der geschlossenen Tür stehen blieb.
    Calderone warf einen Blick über die Schulter, wobei er die Entfernung zwischen sich und dem Wärter einzuschätzen versuchte, dann zuckte er mit den Schultern und nickte, als ob er sich mit der Anwesenheit des Mannes einverstanden erklärte. Als er sich wieder zu der Nonne umwandte, gestattete er sich einen kurzen Moment des Wiedererkennens, bevor er das Spiel weiterspielte. Die angebliche Nonne war seine Geliebte Elena.
    „Schwester … Sie sind gekommen, um für mich zu

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