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Eine fast perfekte Lüge

Eine fast perfekte Lüge

Titel: Eine fast perfekte Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dinah McCall
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seufzte. „Nein, aber trotzdem danke. Nicht, dass ich Angst vor ihm hätte; es ist wohl eher so, dass ich Angst vor mir selbst habe. Angst davor, es nicht zu schaffen, den Mund zu halten, wenn er mich anbrüllt, obwohl ich es eigentlich müsste, weil sein Zustand immer noch heikel ist.“
    „Ich müsste mir eine derartige Zurückhaltung nicht auferlegen“, sagte Jonah. „Also, wenn du Verstärkung brauchst, denk daran, dass ich in der Nähe bin.“
    Sie bemühte sich um ein Lächeln, dann versuchte sie, sich zu entspannen.
    Sugarman schaute über die Schulter. „Wir sind gleich da. Carter wird uns am Vordereingang rauslassen und dann einen Parkplatz suchen. Ich werde Sie zu Mr. Blaines Zimmer begleiten und davor warten. Carter kommt nach, sobald er den Wagen abgestellt hat.“
    „Danke“, sagte Macie. „Es wird nicht lange dauern.“
    „Es spielt keine Rolle, wie lange es dauert, Miss Blaine. Wir stehen ganz zu Ihrer Verfügung.“
    Macie lehnte sich zurück und versuchte sich auf das, was gleich auf sie zukommen würde, vorzubereiten.
    Ein paar Minuten später durchquerten sie die Eingangshalle des Krankenhauses. Als Macie spürte, wie Jonah in die Rolle des Leibwächters schlüpfte, musste sie daran denken, was letztes Mal hier passiert war. Ihr wurde klar, dass sie sich nicht einmal mehr an das Gesicht des Mannes erinnern konnte, der ihr die Wanze in die Tasche geschmuggelt hatte. Doch diesmal schafften sie es, die Eingangshalle ohne Zwischenfall zu durchqueren und zu den Aufzügen zu gelangen. Als der Lift in dem Stockwerk, in dem Declyn lag, hielt, begann Macies Magen plötzlich zu rebellieren. Einen Moment war ihr richtig schlecht, doch als Jonah ihr einen Arm um die Schultern legte, war alles wieder gut.
    Während sie den Flur hinuntergingen, hatte Macie das Gefühl, das alles schon einmal erlebt zu haben. Es dauerte einen Moment, bis ihr klar wurde, woher dieses Gefühl kam. Ihre Mutter hatte ebenfalls hier gelegen und war hier gestorben. Sie versuchte den Kloß hinunterzuschlucken, der ihr plötzlich im Hals saß, und atmete tief durch, als sie stehen blieben, um den Polizisten, der vor Declyns Tür Wache hielt, zu begrüßen.
    „Na, Watt, wie läuft’s?“ erkundigte sich Sugarman.
    Watts nickte zufrieden. „Ganz gut. Der Alte rappelt sich langsam wieder auf.“ Dann schaute er verlegen auf Macie. „Entschuldigung, Miss Blaine. War nicht respektlos gemeint.“
    „Schon gut“, gab sie zurück, dann klopfte sie und öffnete die Tür, nachdem sie Jonah noch einen kurzen Blick über die Schulter zugeworfen hatte.
    „Falls du mich brauchst, ich bin hier“, sagte er.
    Macie holte noch einmal tief Luft, dann betrat sie das Krankenzimmer, in dem ihr Vater lag.
    Declyn Blaine war von Natur aus ein äußerst egozentrischer, wenig einfühlsamer Mensch. Dass er sich plötzlich nackt unter einem schon hundertmal gewaschenen, bereits von zahllosen Menschen getragenen Krankenhausnachthemd wiederfand, war für ihn der Gipfel der Demütigung. Erschwerend kam noch hinzu, dass tagtäglich wildfremde Menschen die intimsten Handreichungen für ihn verrichteten, was damit begann, dass sie ihn von Kopf bis Fuß wuschen, und damit endete, dass sie ihm den Hintern abwischten. All das machte ihn wahnsinnig. Das Schlimmste aber war, dass er sich nicht nur unendlich schwach fühlte und ständig Schmerzen hatte, sondern dass er darüber hinaus auch noch in seinen Grundfesten erschüttert war. Er hatte mit ansehen müssen, wie man seine Tochter ermordet und seinen einzigen Enkel entführt hatte. Und als die Kugeln in seinen eigenen Körper eingedrungen waren, war er fest davon überzeugt gewesen, dass er sterben würde. Aber das Schicksal hatte offenbar andere Pläne mit ihm.
    Kaum war er aufgewacht, war das erste Wort aus seinem Mund „Evan“ gewesen. Und dann hatte er Macies Stimme gehört. Es hatte einen Moment gedauert, bis ihm eingefallen war, dass er sie aus seinem Leben verbannt hatte, und jetzt erinnerte er sich vage daran, etwas von Leichenfleddererei gemurmelt zu haben. Dann hatte er sie gefragt, ob schon eine Lösegeldforderung eingetroffen wäre, was sie verneint hatte. Sie hatte ihm erzählt, dass sie mit den Entführern bisher noch keinerlei Kontakt gehabt hatten.
    Das war der Moment gewesen, in dem er richtig Angst bekommen hatte. Ein Mann wie er hatte Feinde. Das hatte mit den Machtspielen zu tun, ohne die ein Mann in seiner Position nicht auskam. Es gab Leute, die behaupteten, dass er sich mit jedem

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