Eine fast perfekte Lüge
Männern hat so eine, das weiß ich, also hör auf, mich anzulügen. Mir läuft die Zeit davon.“
Sosa wusste nicht mehr, was er tun sollte, da es offenbar keinen Sinn hatte, alles abzustreiten. „Was meinen Sie damit, dass Ihnen die Zeit davonläuft?“ versuchte er sich immer noch dumm zu stellen.
„Du arbeitest in der Villa. Du weißt, dass Evan Blaine entführt wurde. Und du weißt auch, wo er ist.“
Sosa, in dessen Kopf plötzlich alles durcheinander wirbelte, wich verängstigt einen Schritt zurück. Jetzt fiel ihm wieder ein, wo er diesen Mann schon gesehen hatte – zum einen in Begleitung von Miss Macie Blaine und dann noch einmal vor dem Geräteschuppen. Aber das würde er nicht verraten. „Ich weiß überhaupt nichts“, beteuerte er. „Ich mähe hier nur den Rasen, schneide die Hecken und jäte Unkraut.“
Jetzt riss Jonah der Geduldsfaden. Er packte den Mann mit einer Hand am Hals und drängte ihn gegen die Wand. „Du rufst auf der Stelle deine Leute an und sagst ihnen, dass du Jonah Slade gefunden hast. Sie werden dir für den Anruf dankbar sein, glaub mir.“
Felipes Herz hämmerte. Er wünschte sich, seine Machete bei sich zu haben, aber er hatte nur seine Fäuste. Gegen diesen Mann kam er damit allerdings nicht an. „Also gut“, murmelte er kleinlaut, wobei ihm durchaus bewusst war, dass er mit diesem Zugeständnis seine Verbindung zu Calderone zugegeben hatte.
Einen Moment zögerte er noch, dann ging er zum Telefon und wählte eine Nummer. Als sich am anderen Ende jemand meldete, sprudelte er auf Spanisch etwas heraus, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass Jonah der Unterhaltung mühelos folgen konnte. Der musste ein Gähnen unterdrücken, als er Felipe sagen hörte, dass er Jonah Slade geschnappt habe. Denn es war ihm egal, was Sosa seinen Leuten erzählte. Das einzig Wichtige war, dass er zu Evan kommen würde.
Während er weiter zuhörte, wurde ihm klar, dass Felipe Mühe hatte, seine Geschichte an den Mann zu bringen, da man ihm offensichtlich nicht glaubte. Frustriert über die Verzögerung riss er Felipe den Hörer aus der Hand. „Hier ist Jonah Slade“, sagte er. „Ist mein Sohn noch am Leben?“
Am anderen Ende der Leitung blieb es kurz still, dann fragte ein Mann: „Für wie blöd halten Sie uns eigentlich?“
„Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Lebt mein Sohn noch?“ fragte Jonah zurück.
„Sí
.“
„Ich will einen Beweis“, sagte Jonah. „Lassen Sie mich mit ihm sprechen. Wenn ich mir sicher sein kann, dass er es wirklich ist, bin ich bereit, mich Ihnen auszuliefern.“
„Woher sollen wir wissen …“
„Hör zu, du Mistkerl, ich will meinen Sohn sprechen. Glaubst du vielleicht, ich würde irgendetwas tun, womit ich sein Leben noch mehr in Gefahr bringe?“
„Okay.“
„Heißt okay, dass ich mit ihm sprechen kann?“
„Bleiben Sie, wo Sie sind. Wir melden uns wieder.“
„Wenn ich ihn in fünf Minuten nicht an der Strippe habe, bin ich weg“, drohte Jonah. „Dann geht es um deinen Kopf, wenn der
Padrone
erfährt, dass du mich hast laufen lassen.“
„Nein, nein, warten Sie. Der Anruf kommt ganz bestimmt“, erwiderte der Mann eingeschüchtert.
Jonah legte ohne ein weiteres Wort auf. Je nervöser er die Entführer machen konnte, desto wahrscheinlicher war es, dass sie ihm seinen Wunsch erfüllten.
Er grinste Sosa an und deutete auf einen Sessel. „Nehmen Sie Platz, Felipe … oder wie immer Sie auch heißen mögen. Wir müssen ein bisschen warten.“
Es tat höllisch weh, Luft zu holen, doch Evan blieb nichts anderes übrig. Auf irgendeine verdrehte Art empfand er den Schmerz als eine Rechtfertigung. Er hatte wenigstens versucht, sich zu wehren. Die Tatsache, dass er sich nicht hatte behaupten können, spielte keine Rolle. Jetzt fühlte er sich zum ersten Mal seit seiner Entführung nicht als Opfer.
Das Essen, das auf dem Tablett gestanden hatte, lag immer noch auf dem Boden verstreut herum. Evan hatte nur eine kleine Dose Birnen aufgehoben. Er hatte den Deckel abgezogen und zuerst den Saft ausgetrunken, bevor er sich die Birnenscheiben mühsam mit den Fingern herausgeangelt und gegessen hatte. Dann hatte er sich auf die Suche nach der Wasserflasche gemacht. Es hatte eine Weile gedauert, bis er sie gefunden hatte, weil sie unter die Pritsche gerollt war. Er hatte sein T-Shirt ausgezogen, es mit einem Teil des Wassers aus der Flasche angefeuchtet und sich das Gesicht damit abgewaschen.
Da er keinen Spiegel hatte, wusste er
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