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Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn

Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn

Titel: Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y Lee
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Federbetten. Im Gegenteil, sie war so lange arm und ständig hungrig gewesen, dass drei Mahlzeiten pro Tag unglaublich und unmäßig gewirkt hatten.
    Aber das Schwierigste an Marks Leben war nicht die Arbeit oder der Schmutz oder der Hunger. Was Mary so deprimierend fand, war die Erkenntnis, dass Mark niemals vorankommen würde, niemals ein einigermaßen gesichertes Leben haben würde. Sein mickriger Lohn brachte ihm gerade genug zu essen und nur so viel Schlaf ein, dass er überleben konnte. Und wie der Fall Jenkins zeigte, war jede Krankheit oder jeder Unfall verhängnisvoll   – nicht nur für den Jungen selbst, sondern auch für die anderen Familienmitglieder. Diese Situation war ihr aus ihrer Kindheit nur zu bekannt. Als junge Taschendiebin und später als Einbrecherin war immer nur unregelmäßig Geld hereingekommen. Was sie nicht ausgab, wurde ihr meistens wieder gestohlen. Und die ganze Zeit hatte sie sich im Verborgenen halten und ihre wahre Identität verheimlichen müssen. Es war ein Leben gewesen, das einen fertigmachte   – immer auf der Hut, immer in der Defensive. Und abgesehen von dem kurzen Kick, den gefährliche Situationen bei jedem Diebstahl mit sich brachten, war es eine einsame, freudlose Existenz gewesen. Daher war es vielleicht verständlich, dass sie nicht versucht hatte, ihr Leben zu retten, als sie auf frischer Tat ertappt worden war.
    Die Kutsche hielt an und Mary blinzelte hinaus. Ihre Augen waren feucht, und sie tupfte sie rasch mit einem Taschentuch ab   – noch so ein alltäglicher Luxus. Sie brauchte einen Augenblick, um in die Gegenwart zurückzukehren, und erst als die Kutschentür geöffnet wurde, befand sie sich wieder ganz in ihrer Rolle als Dame. Und was für eine Dame! Mit gezierten Schrittchen stieg sie auf das Pflaster hinunter und ließ sich von Felicity den Geschenkkorb reichen.
    »Warte hier«, sagte sie, ohne Felicity anzusehen.
    »Sehr wohl, Ma’am.«
    Das handtuchbreite, zweistöckige Haus aus Backsteinen stand inmitten einer Reihe. Auffallend war nur die riesige, etwas schlaffe schwarze Schleife am Türklopfer. Als Mary anklopfte, hörte sie, wie die Stimmen im Inneren verstummten.
    Ein kleiner, zerzauster Junge öffnete die Tür und glotzte sie an.
    »Ich möchte gerne deine Mutter besuchen«, sagte Mary laut.
    Wie erwartet, kam beim Klang ihrer Stimme eine Frau zur Tür geeilt. »Lass die nette Dame doch nicht warten, Johnny, lass sie rein; komm schon.« Sie knickste vor Mary. »Bitte treten Sie doch ein, Ma’am.«
    Mary ließ den Blick über die Frau und die Einrichtung gleiten. Das Wohnzimmer war sauber und spärlich möbliert, und jemand hatte versucht, ihm mit einem Strauß weißer Wiesenblumen in einem gesprungenen Krug etwas Schmuck zu verleihen. Obwohl das Haus so schlicht aussah, war es großund ziemlich kostspielig für einen Arbeiter   – selbst für einen Fachhandwerker wie Wick. Aber was Mary vor allem auffiel, war die Anzahl der Kinder: auf den ersten Blick waren es vier, plus der Junge an der Tür. »Sind Sie Mrs Wick?«
    Die Frau   – sie wirkte eher wie ein Mädchen   – knickste wieder. »Ja, Ma’am.« Sie war ungefähr zwanzig, blond und so dünn, dass sie fast durchsichtig wirkte. Man sah noch die Spuren eines blauen Auges, die inzwischen gelblich grün verblasst waren. »Wenn   – wenn Sie gekommen sind, um den Toten zu sehen, Ma’am, der ist nicht hier. Es sind nicht viele gekommen, wegen der Gerichts   – der gerichtlichen   –« Sie blieb stecken.
    »Der gerichtlichen Untersuchung?«
    »Ja, genau, Ma’am.« Etwas in Mrs Wicks Kleid bewegte sich und Mary musste zweimal hinsehen: Dort war ein sechstes Kind, ein Baby, das an ihrer Brust lag. Sie wurde rot und lächelte über Marys erstaunten Blick. »Mein Jüngster, Robert. Er ist schon über ein Jahr, auch wenn er so winzig ist.«
    Mary neigte sich vor und sah das Baby an, ein haarloses, runzeliges kleines Ding, das eifrig saugte und nichts von ihren Blicken merkte. Sie hatte keine Ahnung, was sie sagen sollte. Der Kleine war weder niedlich noch prächtig gediehen oder sonst etwas, was man an Babys sonst zu loben pflegte. »Und das ist Ihr Ältester?« Mary deutete auf den Jungen, der sie hereingelassen hatte.
    »Ja, das ist John, nach seinem Vater. Er wird baldsieben. Und die anderen sind Katy, die Zwillinge Michael und Matthew und Paul. Aber wollen Sie sich nicht setzen, Mrs   – äh   – Ma’am?«
    »Fordham. Mrs Fordham. Danke.« Mary setzte sich auf den

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