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Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn

Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn

Titel: Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y Lee
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einem Nicken, Brummen oder der einen oder anderen scherzhaften Bemerkung. Zum ersten Mal, seit sie hier war, spürte Mary etwas wie Gemeinschaftssinn.
    Harkness stand direkt vor der Tür zu seinem Büro und hatte eine Brille auf, die ihm auf die Nasenspitze gerutscht war. Sie verlieh seinem runden, blassen Gesicht fast etwas Gelehrtes. Vor ihm stand ein kleinerTisch mit einer breiten, flachen Metallkiste, aus der Reihen langer, schmaler brauner Umschläge hervorschauten. Die Männer traten einer nach dem anderen vor und er reichte ihnen ihre Lohntüte und hakte ihren Namen auf einem separaten Bogen Papier ab.
    Einige der Männer nickten oder murmelten etwas Höfliches, dann stopften sie sich den Umschlag in die Tasche. Andere traten zur Seite und rissen den Umschlag ganz ungeniert auf, um ihren Lohn nachzuzählen, ehe sie sich davonmachten. Es war eine langwierige Prozedur, denn Harkness überprüfte jeden Namen zweimal, ehe er sich von seinem Geld trennte. Seine Bewegungen verrieten äußersten Widerwillen, als zweifle er die Tüchtigkeit oder den Anspruch der Empfänger an. Und aus Harkness’ Perspektive als strenggläubiger Abstinenzler, so vermutete Mary, war es schlimmer, seinen Lohn im Pub auszugeben, als das Geld zu verlieren oder auf andere Weise zu verschwenden; Alkohol war Sünde und der Anfang weiterer Übel.
    Denn daran bestand kein Zweifel: Die Männer würden schnurstracks ins Pub gehen. Die Laune war allgemein gut und ihr gegenüber waren sie weniger feindselig. Einer der Steinmetze verlangsamte sogar den Schritt im Vorübergehen und fragte: »Na, auch rüber zum Hund?«
    Sie blinzelte ihn verständnislos an. Doch gerade, als er sich abwenden wollte, fand sie ihre Stimme wieder. »J-ja. Äh, danke.« Hund. Jagdhund. Das Pub
Hare and Hounds
natürlich.
    Er sah sie leicht verblüfft an, nickte jedoch. »Gut. Bis dann.«
    Sie bekam ihre Lohntüte als Letzte, was in Ordnung war, da sie ja als Letzte eingestellt worden war. Als sie schließlich vortrat, rieb sich Harkness müde die Augen, zwang sich jedoch zu einem freundlichen Lächeln. »Und wie ist es dir in deiner ersten Woche ergangen, Quinn?«
    »Ich fand’s sehr interessant, Sir.« Hinter Harkness in dem relativ düsteren Büroraum sah sie James zum ersten Mal an diesem Tag. Er beugte sich über einen mit Unterlagen beladenen Tisch und sah ein großes dunkelblaues Rechnungsbuch durch. Er hob den Kopf, als ob er ihren Blick auf sich spürte, und sah sie mit einem ansteckenden Grinsen an. Sie hatte Mühe, ernst zu bleiben, aber irgendwie gelang es ihr, sich auf angemessene Mark-Quinn-Art von Harkness zu verabschieden, dann tat sie es den anderen Arbeitern nach, steckte ihren Umschlag in die Tasche und machte sich zum Pub auf.
    Zu ihrer großen Erleichterung war das
Hare and Hounds
ganz anders als das
Blue Bell
. Es war zwar bei Weitem nicht vornehm, aber es herrschte lärmende Fröhlichkeit vor, nicht alkoholgeschwängerte Verzweiflung. Sie sah sich um. Irgendwie konnte sie ver stehen , warum die arbeitende Bevölkerung diese Art von Kneipe liebte. Hier gab es breite, abgescheuerte Bänke und Tische, angemessene Beleuchtung, angeregte Unterhaltungen und   – was am wichtigsten war   – gutes Bier. Letzteres bewiesen die vielen Biergläser,die auf den Tischen standen, während Schnaps kaum zu sehen war. Es war viel gemütlicher als die meisten Arbeiterbehausungen, überlegte Mary, und zudem war man noch in Gesellschaft.
    Ihre Arbeitskollegen   – seltsam, sie so zu bezeichnen   – hatten sich schon um einen Ecktisch versammelt und waren mit der ersten Bierrunde fast fertig. In dem dichten Gedränge sahen nur wenige der Männer, dass sie sich näherte. Diejenigen, die sie bemerkten, starrten sie nur an, ein Teil herausfordernd, ein anderer desinteressiert. Der Steinmetz, der sie zu dem Kneipenbesuch aufgefordert hatte, saß in der Ecke. Vielleicht war es ganz natürlich, dass sie sich hier den Männern gegenüber etwas schüchterner verhielt als auf der Baustelle   – wo sie ihren Platz und ihre Arbeit hatte. Aber sie ermahnte sich, dass sie auch hier bei der Arbeit war. Der Gedanke machte ihr Mut.
    »Was darf’s denn sein?«, fragte sie den Mann, der ihr am nächsten saß, denn sie hielt es für angebracht, gleich mal eine Runde auszugeben.
    Darauf drehte er sich um. Er hatte in die andere Richtung gesehen und den Kopf in die Hand gestützt. Daher erkannte sie erst jetzt, als sie sich ansahen, dass es Reid war. Sie wurde kurz von Panik

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