Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn

Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn

Titel: Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y Lee
Vom Netzwerk:
gefährden   …«
    »Inwiefern?«
    »Nun, wenn so viel gestohlen wird, wie die Vorarbeiter andeuten, belastet das ja den Etat für Baumaterial. Vielleicht spart Harkness das an anderer Stelle wieder ein.«
    Mary konnte praktisch sehen, wie er sich diesen Punkt merkte:
Etat überprüfen
. »Handelt es sich um raffinierte Diebstähle?«
    Er überlegte. »Also, es sind ja verhältnismäßig kleine Mengen. Man könnte das darauf zurückführen, dass viele Leute unabhängig voneinander klauen.«
    »Aber Sie sind anderer Ansicht.«
    »Die Diebstähle ähneln sich. Nicht nur, wenn sich die Gelegenheit ergibt; es ist eher so   …« Er überlegte einen Augenblick. »Es ist, als ob jemand sorgfältig einen geringen Prozentsatz des gesamten Materials abschöpft, wie eine Art Abgabe.«
    »Das Wort
Abgabe
deutet an, dass sich jemand einbildet, einen berechtigten Anspruch zu haben   …«
    »Dabei ist es natürlich noch viel zu früh, um ein Motiv zu unterstellen. Aber es stimmt. Es ist, als ob jemand sämtliche Materialien vorsichtig besteuert.«
    »Jeder Vorarbeiter ist doch aber verantwortlich, das Entladen der Materialien für sein Gewerk zu überwachen.«
    »Ja. Das macht die Sache so schwer durchschaubar. Auf der Ebene kann es nicht stattfinden.«
    Mary beugte sich vor. »Keenan und Wick sind bekannt dafür, sich ›gerne schmieren zu lassen‹. Womöglich stecken sie hinter den ganzen Diebstählen und vertuschen es nur geschickt?«
    James schwieg und schüttelte dann den Kopf. »Möglich. Haben Sie dafür Beweise?«
    »Nein, aber wenn das der Fall ist, dann muss es Beweise geben.«
    Er nickte und merkte es sich. »Aber all das hat nichts mit den Sicherheitsvorkehrungen zu tun. Oder mit dem Leben eines Lehrlings. Wie empfinden Sie das alles?«
    So aufgeregt sie war   – über das, was James berichtet hatte, über ihre neue Partnerschaft, über seine Nähe   –, fand Mary es schwierig, ein Gähnen zu unterdrücken. »Als strapaziös«, gab sie zu.
    Er nickte. »Kann ich mir vorstellen. Vor allem, da es Ihre erste Kostprobe dieser Art von Leben ist.«
    Sie hätte ihn jetzt korrigieren können. Aber das hätte einer sorgsam ausgeklügelten Menge von Halbwahrheiten bedurft. »Es tut mir leid, aber ich muss gehen. Ich bin schrecklich müde.«
    »Darf ich Sie wenigstens nach Hause bringen?«
    Sie musste fast lachen. »Das ist sehr nett von Ihnen, aber das würde sich ja wohl kaum gehören.«
    »Zu so später Stunde werden Sie sich doch keine Gedanken um Anstand machen.«
    »Nicht um Anstand; es geht um Fakten. Ich kann in meiner Pension ja wohl kaum in einer feinen Kutsche ankommen, oder?«
    Er sah sie erschrocken an. »Sie sind also nicht mehr in der Mädchenschule?«
    »Was   – bei Miss Scrimshaw? Nein, nein, nein; das würde alles gefährden. Ich wohne in einer billigen Pension in Lambeth.« Sie lachte herzlich über sein Gesicht. »Sie sehen ja völlig entsetzt aus.«
    Er antwortete immer noch nicht, obwohl sein Blick Bände sprach.
    Mary beschloss, ihren neuen Bettgenossen mit den übel riechenden Socken nicht zu erwähnen; der arme James würde nach so einem Schock vielleicht nie mehr mit ihr reden. »Die Wirtin ist ganz in Ordnung. Bisschen knickrig, aber es ist da ziemlich sicher. Kein Gegröle und so.« Sie erhob sich und setzte sich die abgewetzte Mütze von Mark auf. »Außerdem haben Sie mir schon einen unverdienten Vorteil zukommen lassen mit so einem guten Essen. Ich hätte sonst ein Butterbrot gehabt und mich dabei noch glücklich schätzen können.«
    Er schüttelte den Kopf. »Sie   – sind   – außergewöhnlich.«
    Inzwischen hatte sie die Hand schon auf dem Türknopf; sie drehte sich um und grinste. »Das sollte wohl schmeichelhafter klingen, als es tat.« Sie tippte sich an die Mütze und freute sich über ein schwaches Lächeln. »Bis morgen, Sir.«

Neunzehn
    Samstag, 9.   Juli
    Palasthof, Westminster
    D er Samstag war ein besonderer Tag, da nur halbtags gearbeitet wurde und Zahltag war. Trotz des schwülen Wetters verspürte Mary eine gelöste Stimmung, weil sie wusste, dass sie um ein Uhr anderthalb Tage freihatte. Frei, um nachdenken zu können. Frei, um einigen der Fragen nachzugehen, die sie quälten.
    Um Punkt eins ging ein allgemeines Aufatmen durch die Baustelle. Die Männer ließen ihr Werkzeug sinken, packten ihre Beutel und begaben sich in Zweier- oder Dreiergruppen zum Büro. Statt wie üblich auf den Ausgang zuzueilen, bildeten sie entspannt eine Schlange und grüßten sich mit

Weitere Kostenlose Bücher