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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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Mauerring sich irgendwo rechts über mir befand.
    Ich sagte laut: »Schluß mit diesem dämlichen Verwirrspiel für Soldaten! Knarros, du hast mich herbestellt!«, und trieb einen Pfad durch diesen ganzen Unfug, und die Wut, die ich im Bauch hatte, trug mich wie auf Flügeln das letzte Stück Wegs bis zum Tor. Wut kann unter Umständen durchaus nützlich sein. Der Hügel war eigentlich gar nicht besonders steil und der Wald weniger dicht, als ich geglaubt hatte. In kaum einer Minute stand ich vor einem Tor aus rohen Brettern in einer vielleicht drei Meter hohen Feldsteinmauer. Ich nahm die Faust, um anzuklopfen.
    »Aufmachen! Hier ist der Magid!«
    Auf der anderen Seite schlurfende Schritte. Die Stimme, die mir antwortete, erinnerte mich an Rob, aber sie klang jünger und überschlug sich beim letzten Wort: »Was wollt Ihr?«
    »Mit Knarros sprechen, natürlich! Dringend, in Staatsgeschäften!«
    Eine zweite Stimme sagte: »Beweist uns, daß Ihr ein Magid seid.«
    Was nicht noch alles! »Dann tretet vom Tor zurück«, raunzte ich. Wieder Schlurfen und Scharren. »Und? Ist das Tor frei?«
    »Nein«, antworteten wenigstens drei Stimmen im Chor und die heisere tat kund: »Knarros hat befohlen, niemanden einzulassen.«
    Weshalb zum Teufel hatte er dann Rob geschickt, um mich zu holen? Die Geräusche verrieten mir, daß sich die drei Knaben von innen gegen das Tor stemmten, deshalb verzichtete ich darauf, es mittels Magid-Magie zu öffnen, und nahm den Luftweg. Fast hätte ich mich bis auf die Knochen blamiert. Ich hasse Levitation (meine am wenigsten verläßliche Gabe), und zudem gab es über der Enklave eine unsichtbare, schützende magische Kuppel, an der wahrscheinlich Dakros’ Energiestrahlen abgeprallt waren. Mir erging es nicht besser. Um ein Haar wäre ich abgestürzt, ich konnte mich gerade noch irgendwie festkrallen. Da hing ich nun über der Mauer in der Luft und mußte mich zerrend und reißend und zappelnd durch die Hülle hindurcharbeiten, während unten die drei Bengel standen und mit offenen Mund zu mir hinaufschauten.
    Ich landete wenig elegant und wandte mich ihnen zu. Einer war ein junger Kentaur, nicht so hübsch wie Rob, aber die Familienähnlichkeit machte sich in dem schwarzen Haar und der aristokratischen Nase bemerkbar. Die beiden anderen waren Menschen, Jungen, ungefähr zwölf und elf Jahre alt, unscheinbar, aber schließlich hatte auch Timos IX. rein optisch nicht viel zu bieten gehabt. Beiden hing das Haar in einem unordentlich geflochtenen Zopf über den Rücken. Sie trugen graue Kittel aus Wollstoff und formlose, selbstgemacht aussehende Schuhe.
    »Wie habt Ihr das gemacht?« fragte der Älteste. Er war derjenige mit der rauhen Stimme.
    Ich grüßte ihn mit einer leichten Verneigung. Immerhin hatte ich in ihm mit fast an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den nächsten Kaiser vor mir. »Levitation. Ihr habt verlangt, ich soll Euch beweisen, daß ich ein Magid bin. Wird einer von euch mich nun zu Knarros führen?«
    »Kris wird ihn holen.« Der Jüngste hatte noch eine helle Kin derst imm e. »Wir müssen auf Wache bleiben.«
    »Entsprechend dem Motto: Das Gatter schließen, nachdem der Gaul vom Hof ist! Aber wie’s beliebt.«
    Der junge Kentaur warf mir einen verdrossenen Blick zu, als er vorbeitrabte. Ich meinerseits dachte nicht daran, geduldig am Tor zu warten, bis Knarros sich herbequemte, mein Geduldsfaden war ohnehin zum Zerreißen gespannt. Also folgte ich ihm, aber langsamer. Die magische Hülle, durch die ich mich hindurchgearbeitet hatte, erwies sich als äußerst anhänglich und haftete an meinen Schuhen. Wenn ich später die Signalpistole abfeuerte, prallte der Flammenstrahl womöglich von der Kuppel zurück in mein Gesicht, deshalb beschloß ich, dieses Hindernis zu entfernen, indem ich das Gespinst beim Gehen losriß und in den Armen bündelte.
    Der Mauerring umschloß die Hügelkuppe, eine kahle, steinige, gewölbte Fläche. In der Mitte, am höchsten Punkt, erblickte ich einen stachligen, blattlosen Busch und einen Altar. Natürlich verehrte man hier die moralinsaure Göttin im Dornbusch, deren Kult sich auch T im os IX. verschrieben hatte. Im übrigen wirkte die Anlage trostlos und primitiv. Ein paar kleine Steinhäuser waren an die Mauer angebaut, kaum mehr als Hütten, außerdem gab es noch einen Brunnen und eine Wäscheleine, über die ich mein dicker werdendes Bündel Schutzmagie hängte, und das war auch schon alles. Der verblichene Timos sank in meiner

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