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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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ich damit umgehen mußte. Ich sollte einmal feuern, wenn alles unter Dach und Fach war, zweimal, wenn Knarros sich weigerte, mit mir zu verhandeln. Und sollte es wider Erwarten ernsthafte Schwierigkeiten geben, sollte ich dreimal feuern, und man würde versuchen, die Barrieren zu durchbrechen und mir mit einer bewaffneten Eingreiftruppe zur Hilfe zu kommen. Wieder schaute ich von einem Gesicht zum anderen. Ihr Vertrauen in mich war niederschmetternd.
    Ich fuhr in ihrem Monstrum das Stück bis zum Fuß des Hügels, während mein Wagen auf dem Pfad stehenblieb. Mit offener Fahrertür, Stan zuliebe. Auch war es unwahrscheinlich, daß jemand Lust verspürte, ein fremdartiges Vehikel zu stehlen, das nicht einmal mi t einheimischem Treibstoff betankt werden konnte. Prinzessin Alexandra saß während der kurzen, staubigen Fahrt neben mir und erzählte von ihren Plänen für die kaiserlichen Sprößlinge. »Ich freue mich, daß Mädchen dabei sind. Es wird Spaß machen, ihnen schöne Kleider zu geben und andere hübsche Sachen. Aber was ich ihnen am dringendsten geben möchte, allen, sind Spielgefährten. Sie sollen zur Abwechslung Spaß und Leben um sich haben - obwohl ich befürchte, daß ihnen nach der langen Zeit der Isolation die Welt da draußen zu groß und zu erschreckend vorko mm t. Ich werde behutsam vorgehen müssen und sie in kleinen Schritten an das höfische Leben gewöhnen.«
    Sie schien mir genau die richtigen Ideen zu haben.
    Ich wurde am Anfang des Pfades abgesetzt, während Dakros und seine Männer auf der Chaussee weiterfuhren, um bei den Orlogs auf mein Zeichen zu warten. Ich stand im Abendsonnenschein und studierte nach Magid-Art den Karrenweg, der durch den Wald zu der Festung nach oben führte. Das Betreten Verboten, das ihn sperrte, ließ keinen Zweifel daran, daß es ernst gemeint war. Ich setzte einen Fuß darauf und zog ihn hastig wieder zurück. Selten sind mir derart aggressive Maledikten begegnet, und ich konnte nicht anders, als die Raffinesse der Gramarye zu bewundern. Aus dem Aufbau und den Räderspuren konnte ich schließen, daß die Barriere jederzeit angehoben oder gesenkt werden konnte, auch von jemandem ohne Kenntnisse der Magie. Eine solche Gramarye erfordert Geschick. Doch leider mußte die Freigabe aus dem Innern der Enklave erfolgen, von hier unten konnte ich nichts bewirken. Während ich dastand und die Gramarye durchdachte, gewann ich den Eindruck, daß die Hinderungen zwischen den Bäumen des Waldes weniger dicht waren. Nur zehn Schritte neben dem Pfad war bereits alles viel ruhiger. Ich umgab mich mit der dichtesten Abschirmung, die ich zustande bringen konnte, und machte mich an den Aufstieg.
    Der Hang war steil, trotzdem machte das Gehen anfangs Spaß, auch wenn ich bei jedem Schritt eine neue Hinderung beiseite schieben mußte. Der Wald bestand aus grünschwarzen Stechpalmen und verschiedenen Kiefernarten, und die Abendsonne reckte Goldstaubfinger hinein, die nach Weihrauch und Rosmarin dufteten. Erholsam. Mir wurde bewußt, daß ich nach dem ereignisreichen Nachmittag ziemlich müde war. Jetzt noch diese Kletterpartie und anschließend eine wahrscheinlich ermüdende Diskussion mit diesem Knarros - es war ein Kreuz.
    Ich wollte nach Hause. Ich wollte nach Hause und ausruhen und Koryfos vergessen. Als der Hang steiler wurde und ich mich unter immer dickeren Asten hinwegducken mußte, drohte mich die Erschöpfung zu übermannen. Ich schnaufte wie eine Dampflok. Die Strahlenpistole hing wie Blei in meiner Tasche, und meine Schutzhülle fühlte sich an wie ein Plattenpanzer. Weil die Sonne unterging, wurde es abscheulich kalt. Statt vor Anstrengung zu schwitzen, begann ich zu frösteln.
    Die Kälte ließ mich stutzig werden. Eine starke, dauerhafte Gramarye muß ihre Energie von irgendwoher beziehen, und dieses, anders als die Barriere über dem Pfad, war ein dauerhaftes Konstrukt und besonders heimtückisch: Es setzte Eindringlinge außer Gefecht, indem es ihnen die Kraft entzog, von der es sich wiederum nährte. Ich blieb stehen und hatte Mühe, mich aufrechtzuhalten, weil meine Beine einknicken wollten. Meine Zähne klapperten. Als ich mich bewußt umschaute, merkte ich, daß ich nicht, wie ich glaubte, auf dem kürzesten Weg zum Gipfel gegangen war, sondern quer zum Hang schräg bergauf. Stan hätte sich kaputtgelacht. Er hatte mich alles über solche Tricks gelehrt. Mein Gesicht brannte vor Scham, als ich sah, daß ich weit von der Richtung abgekommen war und das Tor in dem

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