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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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tadelte Zinka. »Das wäre der sicherste Weg, um bei der Oberen K amm er in Ungnade zu fallen.«
    Insgeheim fand ich Wills Idee gar nicht so übel, aber ich sagte: »Dakros muß irgend jemanden vorweisen können.«
    »Warum nicht sich selbst?« meinte Will. »Er hat mittlerweile jede Menge Übung. Wenn man ihm keine Alternative bietet... «
    »Er würde nie wieder mit mir zu tun haben wollen!«
    Zinka lachte. »Oh, diese heimliche Erleichterung auf deinem Gesicht, als du das gesagt hast! Armer Rupert. Niemand will Koryfos. Aber Koryfos will Janine und Gramos, und ich bin dafür, daß wir sie ausliefern. Halten wir Kriegsrat.«
    Im Lauf der nächsten halben Stunde arbeiteten wir einen, wie uns schien, perfekten und narrensicheren Plan aus, um die beiden heute abend an Dakros auszuliefern. Dann äußerte Zinka, sie sei müde und wolle sich hinlegen. Will ging nach unten zu seinem Landrover, um Carina anzurufen und ihr zu sagen, er werde zum Abendessen nicht zu Hause sein. Alleingelassen, saß ich auf dem Hocker, beide Füße mit Beschlag belegt von je einer friedlich dösenden Ente, und wartete. Ich kann mich nicht erinnern, daß ich über irgend etwas nachgedacht hätte. An Hoffnung bewahrte ich nur einen unbestimmten Rest. Ich starrte nur auf diese immer mehr verschwimmende Landschaft am Ende der Doppelreihe aus niedergebrannten Kerzen. Und wartete.
    Will ließ sich Zeit. Wie er später erzählte, verspürte er plötzlich ein unwiderstehliches Bedürfnis nach etwas Bewegung und unternahm einen Spaziergang am Fluß entlang. Er war noch nicht wiedergekommen, als das achte Paar Kerzen sich dem Ende näherte. Ich beobachtete sie besorgt. Durch den schwachen Luftzug von der Tür brannte die eine schneller herunter als die andere, folglich würde ich die siebzehnte Kerze lang vor der letzten anzünden müssen, und Gott weiß, was für Auswirkungen das haben konnte! Ich beugte mich vor, legte die Hände um das zitternde Flämmchen und versuchte mit allen mir bekannten Mitteln, es zu bewahren. Ich war so davon in Anspruch genommen, daß ich keine Schritte hörte. Und auch nichts anderes. Ich hob rein zufällig den Kopf und sah Maree über den Kamm des Hügels wandern.
    Sie war die alte Maree, in jeder Beziehung. Maree, frisch und lebendig, allerdings blaß, und ihr Haar hatte wieder seine undefinierbare braune Farbe und war, wenn möglich, noch ungebärdiger als zuvor. Jedenfalls umrahmte es mit einer Masse plusteriger Locken ihr kleines, herzförmiges Gesicht, das sich ernst über den brennenden Kerzenstummel in ihren Händen neigte.
    Und auch in allem anderen war sie die alte Maree. Aus einem unerfindlichen Grund trug sie wieder den sackähnlichen Rock und Pullover von unserer ersten Begegnung, dazu große weiche Schuhe, die mich an die Kinder auf dem Berg erinnerten. Sogar ihr e Fingernägel waren wieder lang und spitz, bestens geeignet, um die bis auf einen kleinen Rest heruntergebrannte Kerze festzuhalten.
    Doch seltsam, trotz all der vertrauten Attribute war sie auch eine ganz neue Maree. Schwer zu beschreiben, doch ich wußte sofort, daß die gleiche Veränderung, die wir an den Enten bemerkt hatten, auch mit Maree vorgegangen war. Nicht, daß sie älter geworden wäre. Oder größer. Es war, als hätte sie vorher ihre Umrisse nicht richtig ausgefüllt. Jetzt tat sie es. Ein kleiner, geringer Teil der Veränderung manifestierte sich darin, daß sie plötzlich gut aussah in den trostlosen alten Klamotten. Sie sah erstaunlich gut aus.
    Während ich all das registrierte, hob Maree den Blick und entdeckte mich.
    Ein Ausdruck, den ich noch nie bei ihr wahrgenommen hatte - ungemischte Freude -, erschien auf ihrem Gesicht. Ich glaube, sie war nie in ihrem Leben wirklich glücklich gewesen. Jetzt war sie glücklich - weil sie mich gesehen hatte.
    Zum Teufel mit Besonnenheit, zum Teufel mit dem Risiko des Einbrechens in die eigene Gramarye. Die Enten taumelten flatternd und mit entrüstetem Quaken von meinen Füßen herunter, als ich aufsprang und die Kerzenstraße entlangsprintete. Ich umfing Maree mit beiden Armen, riß sie an mich und schwenkte sie im Kreis herum, wieder und wieder. Ihre Kerze ging aus und flog irgendwohin. Ich hörte sie lachen. Nichts war mehr wichtig. Die dunkle Landschaft verschwand zwischen einer Drehung und der nächsten. Als ich Maree wieder hinstellte, war nichts mehr zu sehen als zwei Reihen wachsgefüllter Leuchter. Die Kerzen bei der Tür waren ebenfalls erloschen.
    Marees Gesicht leuchtete vor

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