Eine Frage der Zeit
wird der Plan gelungen sein. Der Überbringer wird Dir sagen, auf welchem Weg Du mir antworten kannst.
Lass mich wissen, ob Du wohlauf und fröhlich bist, mein Liebling, und vor allem: Sorge Dich nicht um Deinen Dir immer treu ergebenen Ehemann und Seelenfreund, Hother McCormick Hanschell.
18
Siebenhundert seekranke Soldaten
So fanden Anton Rüter, Hermann Wendt und Rudolf Teilmann im Februar 1915 wieder zusammen, arbeiteten jeden Tag von früh bis spät einträchtig miteinander, und es war alles wieder beinahe wie früher. Zwar sprach Teilmann noch immer kein Wort, aber weil er seit je ein wortkarger Mensch gewesen war, beeinträchtigte dies das Arbeitsklima nicht wesentlich. Ein unabdingbares Mindestmaß an Verständigung stellte er mit Nicken und Kopfschütteln sicher, und gelegentlich, wenn dem jungen Wendt ein guter Scherz gelang, konnte man ihn lächeln sehen. Wenn abends am anderen Seeufer die Sonne hinter dem schwarzen Küstengebirge unterging, versorgte er bedächtig seine Werkzeuge im Materialschuppen, wusch sich am Strand gründlich mit Asche und Sand die Hände, kehrte zurück in die Kaserne und ließ sich bis zum nächsten Morgen nicht mehr blicken. Die nächtlichen Diebstähle ließen nun, da der Kapitänleutnant sämtliche nur irgend denkbaren Sicherheitsvorkehrungen getroffen hatte, allmählich nach; der unbekannte Dieb aber wurde nicht erwischt, und seine Beute tauchte nie wieder auf. Während einiger Zeit spielte von Zimmer mit dem Gedanken, die verschwundenen Teile wiederum unter Einsatz der Nilpferdpeitsche hervorzuzaubern; aber dann verzichtete er darauf, weil die Revolte, der er beim ersten Mal knapp entgangen war, diesmal wohl unausweichlich ausbrechen würde. In der Folge beschränkte er sich darauf, sämtliche Wachtposten doppelt und dreifach zu besetzen sowie am Strand und auf allen Wegen, die zur Landzunge hinausführten, rund um die Uhr scharfe Patrouillen zirkulieren zu lassen. Zwar gelang es dadurch nicht ganz, die Diebstähle zu unterbinden, aber immerhin verschwanden nachts nun jeweils weniger Teile, als die Papenburger tagsüber ersetzen konnten.
So näherte sich die Götzen langsam, aber stetig ihrer Vollendung. Der für den 25. Januar 1915 vorgesehene Stapellauf, zu dem Gouverneur Schnee mit Gattin Ada aus Tabora hatte anreisen wollen, musste wegen der verbogenen Schraubenwellen um zwei Wochen verschoben werden. Auch der Termin vom 8. Februar musste verschoben werden, ebenso jener vom 12. April und der vom 18. Mai, und jedes Mal hatte der Kapitänleutnant die unangenehme Pflicht, telegraphisch den Gouverneur zu benachrichtigen, worauf dieser mit ärgerlichen Nachfragen antwortete und den Kapitänleutnant zu peinlichen Erklärungen zwang. Aus militärischer Sicht waren die Verzögerungen umso bedauerlicher, als am südlichen Ende des Tanganikasees rhodesische Einheiten in die Offensive gingen, während gleichzeitig am nördlichen Ende belgische Truppen sich anschickten, den See auf dem Landweg zu umgehen; dringender denn je war die deutsche Heeresleitung darauf angewiesen, ihre zahlenmäßig beschränkten Truppen auf einem großen Schiff rasch vom einen Ende des Sees zum anderen verschieben zu können.
Am 5. Juni 1915 waren Rüter, Wendt und Teilmann gerade damit beschäftigt, die Windschutzscheiben auf der Kommandobrücke einzusetzen, als Kapitänleutnant von Zimmer über die Landzunge kam. Anton Rüter sah ihm auf dreihundert Meter Entfernung an, dass er Neuigkeiten mitbrachte – und zwar solche, die schlecht für Rüter, aber gut für ihn waren. Der Kapitänleutnant triumphierte, das war nicht zu übersehen. Er marschierte nicht rasch und zielstrebig über den Trampelpfad, wie man es von ihm gewohnt war, sondern schlenderte gemächlich dahin, als sei er ganz für sich allein und ohne bestimmtes Ziel unterwegs, oder als genieße er den Beginn der Trockenzeit und wolle die Süße des Augenblicks bis zur Neige auskosten. Alle paar Schritte blieb er stehen und betrachtete nachdenklich die Wolken am Himmel, das Wellengekräusel auf dem See und die Blumen am Wegesrand, und wenn er weiterging, trat er tänzelnd nach den kleinen Steinchen, die auf dem Pfad lagen, und als er auf Augenhöhe mit der Kommandobrücke war, winkte er den Papenburgern ganz unmilitärisch zu. In der linken Hand hielt er ein Stück Papier. Wie sich herausstellen sollte, war es ein Telegramm von Gouverneur Schnee.
«Tja, mein lieber Rüter, jetzt ist es so weit», sagte er, nachdem er zur
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