Eine Frage der Zeit
unbeleuchteten, fensterlosen Zwischendecks in höllischer Hitze und totaler Finsternis inmitten rasender Moskitoschwärme auf dem vibrierenden Stahlboden, der glitschig-feucht war von Erbrochenem und von Exkrementen, und da der Schiffsbauch noch keine Zwischenwände hatte und unmöbliert war, rutschten und kullerten sie bei jedem Rollen, bei jedem Stampfen durch-und übereinander von einer Schiffswand zur anderen, hilflos und willenlos umhergeworfen wie Treibgut in der Brandung. Während der ersten halben Stunde drang ihr Stöhnen und Wehklagen noch aus dem Innern des Schiffes, dessen Aufgänge aus Sicherheitsgründen verriegelt waren, hinauf in die Kabinen der Offiziere; aber schon bald wurde es unheimlich still.
In große Gefahr geriet die Götzen, als um halb neun Uhr die Dampfruderanlage ausfiel und kurz darauf auch die Handsteuerung versagte, worauf das Schiff steuerlos dem Seegang ausgesetzt war und schwer ins Rollen geriet. Das war besonders gefährlich, weil weder die Ladeluken noch die Schotts wasserdicht verschließbar waren; zwei oder drei große Brecher hätten genügt, um das Schiff in Schieflage zu bringen, worauf es Wasser genommen und binnen weniger Minuten gesunken wäre. Dass das nicht geschehen sei, schrieb Kapitänleutnant von Zimmer später, als er wieder feste Erde unter den Füßen hatte, sei reine Glückssache gewesen.
Was Rüter, Wendt und Teilmann in diesen Stunden höchster Not unternahmen, weiß man nicht. Zu vermuten ist, dass sie hektisch daran arbeiteten, die Steuerung zu reparieren. Glücklicherweise legte sich in der dritten Stunde der Wind und beruhigte sich in der Folge auch der See, und kurz nach neun Uhr meldete der Steuermann, dass die Dampfruderanlage wieder funktioniere, worauf die Götzen Kurs auf Bismarckburg nahm und während achtzehn Stunden ohne weiteren Zwischenfall mit acht Knoten Geschwindigkeit südwärts fuhr. Um drei Uhr morgens des zweiten Tages aber fiel auf der Höhe von Utinta erneut die Steuerung aus, worauf das Schiff wiederum schwer zu stampfen und zu rollen anfing, sich um den Bug drehte und vom Wind mit einer Geschwindigkeit von vier Meilen pro Stunde zurück nach Norden getrieben wurde, keine zwei Meilen von der zerklüfteten Küste entfernt und jeden Augenblick in höchster Gefahr, auf einen unsichtbaren Felsen aufzulaufen und mit Mann und Maus und samt den Millionen Stechmücken und Kakerlaken, die den Schiffsbauch seit dessen Kiellegung bevölkerten, abzusaufen.
Nach einer Stunde steuerlosen Treibens war die Steuerung aufs Neue repariert. Die Götzen wandte die Nase wieder gegen den Wind und gegen die Wellen, machte nun gleichmäßig Fahrt und erreichte Bismarckburg um sieben Uhr abends des dritten Tages.
Kapitänleutnant von Zimmer an Gouverneur Schnee
Bismarckburg, 8. August 1915
Exzellenz! In Ergänzung meines Rapports vom 20. Juli zur Jungfernfahrt der Götzen beehre ich mich, Ihnen befehlsgemäß folgende Mängelliste zukommen zu lassen, und erlaube mir die Empfehlung, die vorgeschlagenen Verbesserungen umgehend durch Schiffbaumeister Ritter vornehmen zu lassen sowie diesem sämtliche hierfür benötigten Mittel zu gewähren, da andernfalls das Schiff nicht in Gefechtsbereitschaft versetzt werden kann. Gezeichnet: Zimmer.
Der Tiefgang ist ungenügend. Bei starkem Seegang ist die Götzen kaum steuerbar.
Einwandiger Rumpf ohne Doppelboden, deshalb große Gefahr des Kenterns, falls das Schiff gegen einen Fels schlagen sollte.
Die Schotts zwischen den einzelnen Gatts sind zu wenig zahlreich und zu schwach. Falls Wasser in ein Gatt ein dringt, droht Totalverlust des Schiffs.
Wenn ein Doppelboden eingebaut wird, sollten Trimmtanks beigefügt werden, denn ohne solche lässt sich das Schiff nicht trimmen.
Die Zwischendecks sollten durch Trennwände unterteilt werden, um das Verschieben der Fracht bei hohem See gang zu vermeiden.
Das Schiff ist, besonders bei großer Geschwindigkeit, starken Vibrationen ausgesetzt. Die Antriebswellen müssen ersetzt, verstärkt oder ausgewuchtet werden.
Die Maschinen sind, wenn mit Holz statt mit Kohle befeuert, zu schwach, um gegen die am Tanganikasee häufig auftretenden starken Winde anzukämpfen. Entweder muss Kohle in ausreichender Menge bereitgestellt werden, oder das Schiff muss auf Holzfeuerung umgerüstet werden.
Die Steuerungsanlagen (britischer Provenienz) sind äußerst unzuverlässig.
Die Kojen sind zu kurz und zu eng. Beim Schlafen berührten Arme und Beine das Moskitonetz was den Mücken, die in
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