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Eine Frage der Zeit

Eine Frage der Zeit

Titel: Eine Frage der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Capus
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zwei Dampftraktionsmaschinen herbei, die die Boote durch die Wildnis schleppen würden, und gleichentags tauchten aus dem Nichts fünfhundert prachtvolle südafrikanische Zugochsen mit gewaltigen Hörnern auf, welche die Boote weiterziehen sollten, wenn die Dampfmaschinen versagten.
    Spicer sah, dass alles für den Auszug bereit war. «Das ist gut», sagte er immer wieder. «Das ist sehr, sehr gut.»
    Der Aufbruch der Karawane begann im Morgengrauen des 3. September und zog sich über sieben Stunden hin. An der Spitze fuhr ein Lastwagen, der Wasserfässer für die Dampfmaschinen geladen hatte. Dann folgten singend und in einer Einerkolonne, die sich über anderthalb Kilometer hinzog, die tausend Träger mit den Proviant-und Munitionskisten, Treibstoffkanistern und Sanitätskoffern, Kanonen und Gewehren und Ersatzteilen und persönlichen Ausrüstungsgegenständen der Offiziere. Als Nächste brachen die hundertzwanzig Askari auf, die die belgische Kolonialverwaltung zum Schutz der Expedition zur Verfügung gestellt hatte, und dann die drei-oder viertausend Frauen und Kinder der Träger und Straßenbauarbeiter. Als die fünfhundert Ochsen den Weg unter die Hufe nahmen, stand die Sonne schon hoch am Himmel. Und als ganz zuletzt fauchend und rauchend auf mächtigen Stahlrädern die zwei Dampftraktionsmaschinen anfuhren, um Mimi und Toutou an das Gebirge heranzuführen, gab zehn Meilen weiter vorn an der Spitze der Karawane Commander Spicer Simson schon das Signal zur Mittagsrast.
    Was der Karawane nun bevorstand, war eine sechswöchige Reise, die erst über ein dreitausend Fuß hohes Gebirge führte, dann durch dichten Dschungel, gefolgt von einer zweihundert Meilen langen Floßfahrt über den Oberlauf des Kongoflusses und schließlich noch mal über Land bis ans Ufer des Tanganikasees. Dass jeder einzelne Tag voller Beschwerlichkeiten, Gefahren und Überraschungen war, kannst Du Dir gewiss vorstellen. Für die größte aller Überraschungen aber sorgte – soweit es mich betrifft – einmal mehr Commander Spicer Simson, und zwar Tag für Tag aufs Neue bis zur Ankunft am Ziel. Es begann Minuten nach dem Aufbruch und wenige hundert Yard hinter Fungurume, als die vordere Dampftraktionsmaschine ein erstes Mal zur Seite kippte, weil sie mit einem Vorderrad in die Höhle eines Ameisenbären eingesunken war. Die Maschine hatte ein Leergewicht von acht, bei vollen Wassertanks von fünfzehn Tonnen; sie mit Muskelkraft wieder aufzurichten, war ganz ausgeschlossen. Bis hierher war die Expedition ohne die geringsten Schwierigkeiten verlaufen, jetzt stand Spicer erstmals vor einem ernsthaften Problem. Zu meinem größten Erstaunen aber fing er in dieser Lage nicht an zu näseln, drohte dem Fahrer nicht mit Kriegsgericht und ließ auch keine Eingeborenen auspeitschen, sondern beschaute ruhig das Problem, fand dessen Lösung und ließ die umgekippte Maschine unter Einsatz der zweiten Dampfmaschine sowie von Stahlseilen und Flaschenzügen wieder aufrichten. Dass Spicer in dieser Notlage, die ohne Weiteres das Ende der Expedition hätte bedeuten können, derart die Contenance bewahrte, hätte ich nie erwartet, und ich bewunderte ihn sehr dafür. Aber ich war mir sicher, dass er seine Nervenkraft nun aufgebraucht hatte, und dass er, falls sich in absehbarer Zeit ein weiterer Zwischenfall ereignen sollte, unausweichlich Amok laufen musste. Leider wollte es das Schicksal, dass keine zehn Minuten später dieselbe Dampfmaschine unter Getöse und großer Staubentwicklung abermals zur Seite kippte. Die Vögel in den Bäumen verstummten, die Menschen hielten den Atem an in Erwartung von Spicers Ausbruch, es wurde still wie auf der dunklen Seite des Mondes – aber nichts geschah. Spicer griff in die Pistolentasche, in der er seine monogrammbedruckten Zigaretten verwahrte, steckte eine in sein Elfenbeinmundstück und sagte: «Vorwärts, Männer! Macht alles genau so wie vorhin.»
    Zahllos waren die Schwierigkeiten, die sich uns in den Weg stellten, und Spicer Simson bewältigte sie alle. Mindestens zehnmal täglich kippte eine Dampfmaschine zur Seite. Die Maschinen versanken im Schlamm, sie fielen auf einstürzenden Brücken ins Wasser, blieben mit verschlammten Heizkesseln stehen. Die Ochsen verendeten dutzendweise an Tsetse-Fieber und Erschöpfung. Tag für Tag mussten Brücken über Bäche und Flüsse gebaut werden, hundertfünfzig insgesamt. Manchmal wurde das Wasser knapp, dann gaben die Dampfmaschinen den Geist auf, Menschen und Vieh litten

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