Eine Frage der Zeit
verschicken“, grinste Velten. „Ich benutze es selten und lasse es ständig irgendwo liegen.“
„Ohne mein Smartie und meine Apps wäre ich völlig aufgeschmissen. Mein Handy führt mich sogar zurück zu meinem Auto, wenn ich vergessen habe, wo ich es geparkt hatte.“
Sie bezahlten ihr Essen und verabschiedeten sich von Luigi.
„Ist Ihnen eigentlich in der Zwischenzeit eingefallen, was Ihnen an dem Foto von Stürmer vor dem Landgrafen-Gemälde nicht gefällt?“, fragte Marcks, während sie das Lokal durchquerten.
„Nein, noch nicht. Ich habe das Gefühl, dass ich förmlich mit den Händen danach greifen könnte, aber dann gleitet es mir immer wieder durch die Finger.“
Als sie fast zur Tür hinaus waren, rief der kleine Wirt hinter ihnen her: „Signore Velten, ihre Handy.“ Mit dem Mobiltelefon in der Hand lief er auf die beiden zu. „Bitte nicht schon wieder vergesse.“
- - -
„Ich habe heute Morgen schon im Radio gehört, dass die Polizei den Mord an Alexander wieder untersucht“, sagte Marion Clarke und zündete sich eine Zigarette an. Es waren gerade keine Kunden im Geschäft, die sich daran hätten stören können. Die schlanke, elegante Frau Mitte vierzig mit den kurzen schwarzen Haaren bat die Journalisten, an einen kleinen Tisch in einer Ecke ihrer Boutique Platz zu nehmen.
Velten ließ sich in einen der bequemen Sessel sinken und überließ seiner Kollegin das Gespräch mit Stürmers ehemaliger Lebensgefährtin. Er sah sich in dem Geschäft um. Obwohl er häufig in der Innenstadt unterwegs war, war ihm die Boutique neben dem Rossbrunnen noch nie aufgefallen. Allerdings gehörten Schaufensterbummel auch nicht zu Veltens favorisierten Freizeitbeschäftigungen. Clarke & Omlor führte ausschließlich hochpreisige Marken deutscher und internationaler Hersteller und richtete sich offensichtlich an vermögende Kundinnen in den besten Jahren. Die Einrichtung wirkte gediegen und geschmackvoll. Auf bunte Plakate im Schaufenster verzichtete Marion Clarke ebenso konsequent wie auf Grabbelkisten mit vermeintlichen Schnäppchen vor der Ladentür. In einer Zeit, in der die Citys von den immer gleichen Filialen geprägt wurden, schien die Boutique von Marion Clarke ein wenig aus der Zeit gefallen zu sein. Velten fragte sich, wie sich so ein exklusives Geschäft ausgerechnet in Waldenthal über Wasser halten konnte.
„Wie lange waren Sie mit Alexander Stürmer zusammen?“, fragte Marcks gerade.
„Ungefähr drei Jahre, aber unsere Beziehung war schon mehr oder weniger am Ende, als er verschwand. Ich hatte Alexander wegen seiner ewigen Frauengeschichten kurz zuvor aus unserer gemeinsamen Wohnung geworfen.“
„Aber in seiner letzten SMS schrieb e r ‚Liebe dich, A.’.“
„Das hatte mich auch überrascht. Aber diese SMS war sowieso sonderbar.“
„Wieso sonderbar?“
„Er hatte mir geschrieben, dass er sich mit diesem Fleischmann treffen und ihm ‚sein Geld’ geben wollte. Ich kannte aber weder einen Fleischmann noch war mit etwas davon bekannt, dass Alexander ihm angeblich Geld schuldete.“
„Wussten Sie überhaupt etwas über seine tatsächliche finanzielle Lage?“, hakte Marcks nach.
Marion Clarke schüttelte heftig den Kopf: „Oh, nein. Er war immer sehr großzügig und gab viel Geld für Reisen, Kleidung und Essen aus. Er fuhr auch öfter in Kasinos und spielte Roulette und Black Jack. Ich dachte mir nichts dabei, er verdiente ja gut und stammte aus einer wohlhabenden Familie. Als ich später von der Polizei erfuhr, dass er sechsstellige Spielschulden hatte, bin ich aus allen Wolken gefallen. Ich fürchte, viel mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen.“ Es war klar, dass Marion Clarke das Thema so schnell wie möglich beenden wollte.
„Für wen steht eigentlich der Name ‚Omlor’?“, wollte Velten wissen.
„Markus Omlor war mein Lebensgefährte, bevor ich Alexander kennenlernte. Wir sind schon lange nicht mehr zusammen, haben die Boutique aber nach unserer Trennung noch ein paar Jahre gemeinsam betrieben. Vor gut zwei Jahren brauchte Markus plötzlich Geld, weil er in ein Restaurant in Ludwigshafen einsteigen wollte. Also kaufte ich ihm seinen Anteil ab. Ich war nicht unglücklich darüber. Wir hatten uns oft gestritten, wie das Geschäft am besten zu führen sei. Den Namen Clarke & Omlor habe ich beibehalten, die Kunden waren ja daran gewöhnt. Außerdem klingt er gut, finden Sie nicht auch?“ Sie zog an ihrer Zigarette und blies den Rauch an die Decke. Ein
Weitere Kostenlose Bücher