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Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Titel: Eine Frau flieht vor einer Nachricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Grossman
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sich zu Rate, wobei er ausladende Handbewegungen machte: Findest du Honig, so iss davon nur, soviel du bedarfst, dass du nicht zu satt werdest und speiest ihn aus, und alle versammelten sich um ihn und riefen, iss hier, iss hier, und seine Stirn legte sich in Falten und sein Mund machte gefräßige Bewegungen: Halte deinen Fuß zurück vom Haus deines Nächsten, er könnte dich satt bekommen und dir gram werden, und sie brüllten, nein, nein, er wird dich satt bekommen, aber dir nicht gram werden, bis seine Augen langsam zu leuchten begannen und er seine Rechte hob und auf eine Melodie der Frau des Hauses zurief: Eile und menge drei Maß feinstes Mehl, knete und backe Kuchen … Die Gesellschaft der Frauen verzog sich wieder in die Küche, und Ora schaute Akiba fragend an, sah seinen Blick und dachte sich, dass er die Einladung diesmal angenommen hatte, weil diese Familie etwas weniger arm war.
    Akiba ging allein in die Küche, um nachzuschauen, dass sie es dort nicht übertrieben, und Ora und Avram blieben mit einigen Familienmitgliedern, vor allem jungen Mädchen und Kindern, im Zimmer, und es wurde still, bis ein Junge seinen ganzen Mut zusammennahm und fragte, woher sie denn kämen, und Ora erzählte, sie sei aus Jerusalem und Avram aus Tel Aviv, aber ursprünglich sei auch er aus der hochgebauten Stadt Jerusalem, als Kind habe er sogar in dem schönen Viertel Nachlaot nahe am Markt gewohnt. Doch sie ließen sich vonihrem folkloristischen Jerusalem nicht beeindrucken, und ein junges Mädchen, hager, bleich und eingehüllt in ein langes Kleid, erschrak und fragte, dann seid ihr gar nicht verheiratet? Die anderen kicherten und hießen die freche Fragerin schweigen, doch Ora sagte ruhig, wir sind schon über dreißig Jahre Freunde. Ein Junge mit dünnen Schläfenlocken hinter den Ohren und länglichen schwarzen Lammaugen, der dem Jungen auf einer der Zeichnungen an der Wand in Avrams Wohnung erstaunlich ähnlich sah, sprang auf und provozierte, warum habt ihr dann nicht geheiratet? Und Ora sagte, das hat nicht geklappt, und sie riss sich zusammen, nicht zu sagen, wir waren wohl nicht dafür bestimmt, zusammenzuleben. Ein anderes Mädchen kicherte und fragte hinter vorgehaltener Hand, dann hast du einen anderen geheiratet? Ora nickte, ein erregtes Getuschel schäumte im Zimmer auf, alle Augen schauten in Richtung Küche, hofften auf Hilfe von Akiba, der bestimmt wusste, wie man sich in so einer Situation verhielt, und Ora sagte, aber ich lebe schon nicht mehr mit ihm, und das Mädchen fragte, dann hat er dich fortgeschickt? Ora beherrschte sich, überging die schlichte Kränkung, die wie ein Faustschlag in ihrer Magengrube gelandet war, sagte ja und fügte ungefragt hinzu, ich bin jetzt allein, und der hier, der Avram, ist mein guter Freund, wir wandern zusammen durchs Land; und etwas leicht Schleimiges, das sie vorher in die Versuchung gebracht hatte, ihnen von der »hochgebauten Stadt« und vom »Viertel beim Markt« zu erzählen‚ zwang sie nun, hinzuzufügen, »in unserm schönen Land«.
    Das dünne, bleiche Mädchen fragte mit scharfem Blick nach, und der Mann, hat der eine Frau? Ora schaute ihn an, auch sie wartete auf eine Antwort, aber Avram saß vorgebeugt da, betrachtete seine Finger, und Ora dachte an den Ohrring in Form eines Reitersporns und an die violetten Haare in der Bürste auf dem Brett in seinem Badezimmer und fragte sich, was aus dem jungen Mädchen geworden war, das er vor Jahren ab und zu erwähnt hatte, sie war viel jünger als er, wenn sie sich recht erinnerte, und sie hätte gern gewusst, ob die noch irgendwie existierte, vielleicht kam diese schreckliche Verwahrlosung seiner Wohnung auch daher, dass sie schon einen ganzen Monat nicht mehr dagewesen ist, diese junge Frau. Und als Avram länger schwieg, sprang sie ein und antwortete in seinem Namen, nein, er ist jetzt allein, undAvram nickte kaum spürbar, und ein Schatten der Sorge legte sich auf sein Gesicht.
    Noch mehr Männer und Frauen kamen ins Haus, deckten den Tisch, brachten Stühle, der schmale Junge mit den Lammaugen hüpfte herum und fragte, aber was hat er, warum ist er so, ist er krank? Und Ora sagte, nein, er ist traurig. Alle schauten auf Avram und nickten verständnisvoll, als habe sich auf einmal vor ihren Augen sein Rätsel gelöst und als sei er begreiflich und verständlich geworden, vielleicht wird der fröhlich, wenn er ein bisschen was isst, schlug ein kleiner Junge vor, der bisher schweigend auf den Knien seiner

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