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Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Titel: Eine Frau flieht vor einer Nachricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Grossman
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Schwester geschaukelt hatte, und Ora lächelte, ja, vielleicht, das werden wir ja gleich sehen. Ein kleines Mädchen, dünn wie ein Faden und von etwas sonderbarem Aussehen, trat vor und berührte mit der Hand die Kratzer in Oras Gesicht und sagte mit einem wie von einem feinen Schleier bedeckten Staunen, du bist schön wie im Fernsehen. Das misstrauische Mädchen, das gefragt hatte, ob Avram eine Frau habe, bestand darauf zu erfahren, warum er traurig sei, da nahm Ora ihren Mut zusammen und sagte, sein Sohn ist beim Militär, bei diesem Einsatz, der gerade läuft, und ein Gemurmel der Anerkennung und des Verständnisses breitete sich im Zimmer aus, Segenswünsche purzelten aus den Mündern, für diesen Soldaten im Besonderen und für alle Soldaten unserer Armee, dazu Beschwörungsformeln und Verwünschungen gegen die Araber, so viel haben wir ihnen schon nachgegeben, und immer noch reicht es ihnen nicht, die wollen uns ja doch nur umbringen, Esau hasst Jakob, und Ora schlug mit einem breiten Lächeln vor, lasst uns heute nicht über Politik reden, und das hartnäckige Mädchen zog überrascht die Augenbrauen zusammen, ist das denn Politik? Das ist die Wahrheit! Das ist schon seit der Bibel so! Und Ora sagte, in Ordnung, aber wir wollen heute nicht über das reden, was in den Nachrichten kommt, und über das Zimmer legte sich ein unangenehmes Schweigen, doch in diesem Augenblick kam zum Glück Akiba aus der Küche zurück und verkündete, gleich gebe es Essen, und bis dahin lasst uns ein bisschen fröhlich sein, denn wer isst, ohne sich am Ewigen, gelobt sei Er, zu freuen, der ist wie einer, der seinen Tisch besudelt.
    Schon warf er wieder Arme und Beine in die Luft, begann zu singen und durch das Zimmer zu tanzen und über dem Kopf in die riesigenHände zu klatschen, und er zog unsanft einen Jungen nach dem anderen mit in den Kreis und pflückte vom Schoß eines jungen Mädchens ein vielleicht acht oder neun Monate altes Baby, nackt, dunkelhäutig und pummelig, nur mit einer kleinen Windel bekleidet, und schwang es in die Luft, ein mutiges Baby, es erschrak nicht, lachte aus vollem Hals, und sein Lachen steckte alle an, sogar Avram lächelte, was Akiba bemerkte, und so tanzte er in einer anmutigen Kreisbewegung auf ihn zu und legte das Baby in seinen Schoß.

    In der jubelnden Menge spürte Ora den Frostfaden, der sich im Nu um Avram wand. Sein Körper erstarrte, versteinerte. Seine Hände hielten die Umrisse des Babys, ohne es wirklich zu berühren. Von ihrem Platz aus konnte Ora fühlen, wie seine Glieder sich zurückzogen, sich tief unter der Haut verkrochen, weit weg vom Körper des Babys …
    Das ganz gefesselt von dem Jubel um es herum und von Akibas wildem Tanz, nicht die Not dessen bemerkte, in dessen Schoß man es gelegt hatte. Sein rundlicher brauner Körper schaukelte fröhlich zum Takt des Gesangs und des Klatschens, seine Händchen flogen von allein in die Luft, und einen Moment sah es aus, als dirigiere dieser Kleine das ganze Durcheinander, und sein Mund, ein winziges perfektes rotes Herz, öffnete sich zu einem lichten Lachen und verbreitete unglaubliche Süße. Ora rührte sich nicht. Avram starrte vor sich hin, er schien nichts zu sehen. Sein schwerer Kopf mit dem zottigen Bart war hinter der Freundlichkeit des Babys plötzlich dunkel und fremd. Ein beinah unerträglicher Anblick. Ora nahm an, dass er das erste Mal seit der Gefangenschaft ein Baby in den Armen hielt, und dann kam ihr der Gedanke, dass es vielleicht überhaupt das erste Mal in seinem Leben war. Wenn ich doch bloß Ofer als Baby einmal zu ihm gebracht hätte, dachte sie, einfach unangekündigt zu ihm gefahren wäre und ihm Ofer in den Arm gelegt hätte, ganz natürlich, in völligem Vertrauen auf ihn, wie Akiba.
    Ausgerechnet jetzt, als sie das Bild so konkret und lebendig vor Augen hatte, gelang es Ora nicht, sich vorzustellen, wie Avram Ofer als Baby im Arm hält, und sie dachte sich, wie er sie dazu gebracht hatte, auch in sich selbst die Trennlinie zwischen ihm und Ofer zu ziehen.
    Das Baby hatte anscheinend eine erstaunlich freundliche Natur, und während es vor Akiba hampelte, streckte es eine Hand zur Seite aus und ergriff fest Avrams Hand, die neben seiner Hüfte lag, und wollte sie sich ans Gesicht heben, und als sie ihm zu schwer war, verzog es zornig sein Gesicht und nahm seine zweite Hand zur Hilfe und zog Avrams Hand mit großer Anstrengung zu sich hoch und bewegte sie vor dem jauchzenden Akiba wie einen Taktstock in

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