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Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Titel: Eine Frau flieht vor einer Nachricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Grossman
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wie ich, deinen Rücken vor Wonne erschauern lässt, dafür wird er viel schicker sein als ich, viel, viel hübscher, ruhiger und gefestigter, vor allem für dich leichter zu verstehen (und auch deiner Mutter wird er garantiert auf den ersten Blick gefallen!). Ja, ja, meine untreue Ora, das hab ich mir überlegt, während ich in der kleinen feuchten Höhle mit den Haschischdüften saß (!!!) und die Engel aufden Tonleitern von Mel Keller auf und ab steigen sah, aber jetzt hab ich den Faden verloren …
    Zum Schluss wirst du dich fürs ganze Leben mit so einem ernsten, toll aussehenden Alpha-Mann mit silbernen Schläfen vereinigen, einem, der dich nicht fragen wird, ob dein Nabel beim Anblick eines schönen Sonnenuntergangs sich erregt oder beim Lesen des neuesten auf den Lippen brennenden Gedichts von David Avidan, doch an seiner Seite wird dir eine in alle Ewigkeit sichere Zukunft beschert sein. Denn ich habe dich im Verdacht, doppeltes Orachen, dass es in deiner schönen hellen Seele (die ich, das muss ich dir nicht sagen, sehr liebe) einen kleinbürgerlichen dunklen Winkel gibt (wie im Laden an der Ecke, da, wo die alten Konservendosen stehen) und dass du, verzeih mir, in Sachen Liebe, in Sachen echter Liebe meine ich, ziemlich vernagelt bist, und deshalb wirst du dich so entscheiden, wie du dich entscheiden wirst, und mich für mein ganzes Leben unglücklich machen. Daran (an dem Unglück, das ich von dir zu erwarten habe) hege ich keinen Zweifel, ich betrachte es bereits völlig philosophisch, als gegebenen Zustand, etwa wie eine chronische Krankheit, an der ich mein Leben lang leiden werde, und deshalb musst du auch nicht jedes Mal, wenn ich davon rede, so hysterisch reagieren!
    Auf dem Rückweg von dem Jazzkonzert habe ich mit dem langbeinigen (und auch sonst langgliedrigen) Ilan darüber gesprochen, ihm meine Theorie über dich und ihn auseinandergesetzt und ihm natürlich auch mein bitteres Schicksal geklagt, eine Frau zu lieben, die meine Liebesgaben verschmäht, und mich mein Leben lang mit Ersatzspielern begnügen zu müssen. Ilan tröstete mich wie immer damit, du würdest deine Meinung vielleicht doch noch ändern und erwachsen werden, und versuchte sich mit weiteren, ähnlich dummen Tröstungen, und ich erklärte ihm noch einmal, warum er meiner Meinung nach viel besser zu dir passe, als Alpha-Mann etc., und dass ich meinen Platz in deinem Herzen, an dem ich mich noch immer auf die lächerlichste Weise festklammere, nur für ihn zu räumen bereit wäre, und er sagte noch einmal, du seist echt nicht sein Typ, er kenne dich im Grunde gar nicht, und wiederholte, er sei in der Nacht, in der wir drei im Krankenhaus geredet haben, völlig benebelt gewesen, aber mich beruhigt das nicht, denn ich spüre, dass damals zwischen euch etwas Starkes passiertist, gerade weil ihr beide so benebelt wart, da ist irgendetwas gewesen, und es bringt mich um, dass du nicht bereit bist, mir das zu bestätigen oder zu sagen, dass es nicht stimmt; es ist, als wäret ihr da zusammen an einem Ort gewesen, in den ich nicht eindringen konnte (und das wird mir wohl auch nicht mehr gelingen), und ich kann mich nur in den Arsch beißen, dass dir diese Offenbarung der Liebe (denn Liebe ist eine Offenbarung!!) nicht mit mir passiert ist, wo ich doch so nah dran gewesen bin. (Fuck, zischte Avram, als er in wahnsinnigem Zorn kapitulierte.) Das ist auch noch so etwas, was ich ziemlich oft im Leben spüre, dieses Ganz-nah-dran-Sein, und ich hoffe bloß, dass das nicht zum fundamentalen Grundprinzip meines Lebens werden wird.
    Dein von Qualen deprimierter Avram.«
    Da gelang es ihr endlich, ihre Ängstlichkeit und die lähmende Verwirrung, die sie befallen hatte, abzuschütteln, und sie schrieb ihm in einfachen Worten, die immer komplizierter wurden, sie glaube wirklich, dass sie verliebt sei, doch eben leider nicht in ihn, und sie könne bloß hoffen, dass er ihr das verzeihe, denn das liege überhaupt nicht in ihrer Macht; ihn würde sie wie einen Bruder mögen und lieben, und sie würde ihn auch in Zukunft immer so mögen und lieben, und ihrer Meinung nach brauche er sie auch nicht wirklich – an dieser Stelle zitterte ihre Hand wild, worüber sie staunte; der Füller hüpfte richtig auf dem Blatt, wie ein Pferd, das seinen Reiter abwerfen will –, denn er sei doch ein so voller und überquellender Mensch, tausendmal klüger und tiefschürfender als sie, und werde bestimmt, wenn er sich erstmal an den Gedanken gewöhne, viele andere

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