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Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Titel: Eine Frau flieht vor einer Nachricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Grossman
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los, sagt sie freudig, wir müssen ja nicht nur der Route folgen.
    Sie nehmen einen ringförmigen Weg um den Gipfel, und die Hündin rennt zum ersten Mal vor ihnen her, ab und zu bleibt sie stehen, betrachtet sie, wirft ihnen einen aufmunternden Blick zu und läuft dann weiter. Die Luft ist getränkt von Blütenduft und dem Geruch feuchter Erde. Efeu klettert die Baumstämme hoch, und die Feuerzungeneines Judasbaums flammen zwischen den Eichen und dem Weißdorn auf. Ein gewaltiger Erdbeerbaum, aus dessen Wurzeln wie aus einer riesigen, weit geöffneten Hand dünne Fingerstämme wachsen; er ist ohne Rinde, nackt, seine Farbe und Glätte machen sie beinahe verlegen, wie menschliche Nacktheit, wie der Körper einer Frau. Ora bleibt plötzlich stehen: Du, ich muss dir noch was erzählen. Das bedrückt mich die ganze Zeit, aber ich konnte nicht. Willst du es hören?
    Ja, sicher.
    Als ich mich von Ofer verabschiedet habe, als ich ihn zu dem Brigadentreffpunkt brachte, war da auch das Fernsehen. Die haben uns gefilmt.
    Ja?
    Der Reporter fragte ihn, was er mir, bevor er ausrückt, noch sagen will, und Ofer bat mit so einem Lächeln, ich soll ihm alle möglichen Lieblingsgerichte kochen, ich weiß schon nicht mehr, was es war, und dann hat er mir plötzlich noch etwas ins Ohr geflüstert, vor laufender Kamera.
    Avram bleibt stehen, wartet.
    Er hat mir gesagt – sie holt tief Luft, presst die Lippen zusammen –, dass wir, wenn, wenn er …
    Ja, flüstert Avram, möchte sie bestärken, doch sein Körper reagiert wie auf einen drohenden Schlag.
    Dass wir, wenn ihm was passiert, hörst du, wenn ihm was passiert, dann sollen wir das Land verlassen.
    Was?
    »Versprich mir, dass ihr dann das Land verlasst.«
    Das hat er gesagt?
    Genau so.
    Ihr alle?
    Vermutlich, ich konnte noch nichtmal …
    Und, hast du’s ihm versprochen?
    Ich glaube nicht, ich weiß nicht mehr. Ich war so entsetzt.
    Sie gehen schweigend weiter, plötzlich gebückt. Wenn ich umkomm, hatte Ofer ihr zugeflüstert, dann verlasst ihr das Land. Macht, dass ihr wegkommt. Dann habt ihr hier nichts mehr verloren.
    Am meisten deprimiert mich, das ist mir völlig klar, dass er das nichtaus dem Ärmel geschüttelt hat. Er hat sich das lange vorher überlegt. Er hat es geplant.
    Avram stapft weiter.
    Warte, renn nicht so.
    Er reibt sich Gesicht und Kopf. Kalter Schweiß bricht ihm aus. Diese drei Worte aus ihrem Mund, wenn ich umkomm. Wie kann sie die sagen. Wie kriegt sie die überhaupt über die Lippen.
    Weißt du, vorher, als Adam beim Militär war, erinnert sie sich, hat er mal gesagt, wenn ihm was passieren sollte, sollen wir zu seinem Andenken ein Bänkchen gegenüber dem »Submarine« aufstellen.
    Was für ein »Submarine«?
    Das gelbe. Dieser Klub in Talpiot. Da tritt er manchmal mit seiner Band auf.
    Sie gehen schweigend. Leute kommen an ihnen vorbei, doch sie bemerken sie nicht. Bei einer in den Fels gehauenen alten Ölmühle setzen sie sich hin. Larven von Salamandern schwimmen in einer Rinne im Regenwasser. Überall liegen von Wildschweinen ausgegrabene Klumpen Gras herum. Beide schweigen, sammeln Kraft.
    Irgendwie hab ich, sagt sie, in diesen ganzen Tagen, seit wir hier laufen, was soll ich dir sagen, in den Momenten, wo die Verdrängung nicht klappt, hab ich das Gefühl, dass ich mich verabschiede.
    Du wirst nicht weggehn, beschwört er sie, beinahe entsetzt, das kannst du nicht machen.
    Nein? Warum nicht?
    Komm, lass uns weitergehen.
    Seine Kiefer pressen sich zusammen, zermalmen Gedanken und Worte. Er möchte ihr sagen, dass sie nur hier, in dieser Landschaft, mit diesen Felsen und Zyklamen, nur auf Hebräisch und in dieser Sonne, zu verstehen ist. Aber das klänge zu sentimental und auch unsinnig, und er schweigt.
    Ora richtet sich auf. Plötzlich denkt sie, dass Ofer vielleicht etwas von Avram ahnt. Als hätte er gesagt – wenn auch mir das passiert, wenn das noch eine Generation weitergeht, dann habt ihr hier nichts mehr verloren.
    Aber wenn schon, sagt sie leise, dann verabschiede ich mich nicht nur vom Land.
    Ora …
    Lass. Lass gut sein, warum die Landschaft ruinieren?
    Ihr Mund zittert. Sie beißt sich auf die Lippe. Avram schlurft neben ihr her, eine bleierne Leere breitet sich mit jedem weiteren Schritt in ihm aus. Vielleicht erzählt sie mir deshalb von ihm, schießt es ihm durch den Kopf, damit es jemanden gibt, der sich an ihn erinnert.
    Sag mal. Mit letzter Kraft reißt sie sich aus dem zähen Schweigen.
    Was, Orale?
    Weißt du, wozu ich jetzt

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