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Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Titel: Eine Frau flieht vor einer Nachricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Grossman
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mit der Interaktion stimmt hier nicht …
    Was sollen wir tun, unterbricht Ilan, die Ader an seiner Schläfe färbt sich schon blau, ich möchte, dass Sie mir in einfachen Worten sagen, was wir jetzt tun sollen! Ora schaut ihn verzweifelt an, sieht, wie sich das Eisengitter auf einen Schlag vor seinem Gesicht schließt.
    Ich glaube nicht, dass es hier eine schnelle Lösung gibt, sagt der Mann näselnd, ich versuche vielmehr, gemeinsam mit Ihnen laut nachzudenken: Vielleicht ginge es mit jemand anderem besser? Vielleicht mit einer Psychologin?
    Wieso eine Frau, fragt Ora verunsichert und hat das Gefühl, man werfe ihr hier irgendetwas vor, warum denn eine Frau?

    Es ist Abend. Ora sitzt zu Hause und sortiert die Belege für ihre Umsatzsteuererklärung, alle zwei Monate muss sie ihre Einnahmen aus der Physiotherapeutischen Praxis, in der sie arbeitet, angeben – aber Patienten, die ich zu Hause empfange, melde ich grundsätzlich nicht, sagt sie Avram mit einem gewissen Stolz, mit dem Gefühl, als verbündeten sich hier zwei Regimegegner (und er, er hat noch nicht einmal einen Personalausweis dabei!) –, da kommt Adam rein und bittet sie, ihm beim Aufräumen seines Zimmers zu helfen. Das ist keine übliche Bitte, schon gar nicht in dieser Zeit, und das Chaos in seinem Zimmer ist wirklich unerträglich, aber sie muss an diesem Abend den Bericht für die Steuer fertig kriegen und fragt gereizt: ausgerechnet jetzt? Warum bist du nicht vor einer Stunde gekommen, als ich Zeit hatte? Warum gilt immer nur meine Zeit nichts in diesem Haus?
    Adam geht wieder, halb tanzend, halb humpelnd vor lauter Zuckungen, und Ora versucht, weiter ihre Belege zu ordnen, kann sich aber nicht mehr konzentrieren. Am meisten deprimiert es sie, dass er noch nicht einmal mit ihr gestritten hat. Ohne ein Wort zu sagen ist er gegangen, als könne er es sich nicht leisten, auch nur einen Funken Energie zu verschwenden.
    Sie sitzt da, sortiert die Ausgaben für Fahrtkosten und Spesen und spürt, dass in diesen Minuten Adam in seinem Zimmer in Splitter der Verzweiflung und Einsamkeit zerfällt, und sie weiß, seine Auflösung wird auch auf sie übergreifen, bald auf Ilan und sie als Paar, die ganze Familie wird auseinanderfallen. Wie furchtbar schwach wir sind, denkt sie, starrt auf die geordneten Stapel kleiner Zettelchen, warum sind wirbeide so gelähmt und kämpfen nicht wirklich um ihn? Haben wir das Gefühl – schießt es ihr durch den Kopf –, das sei die Strafe? Aber wofür?
    Um dich haben wir viel mehr gekämpft, sagt sie leise zu Avram.
    Avram schließt die Finger fest um den heißen Kaffeebecher, verkrampft sich völlig, sein Blick klammert sich an die letzten tanzenden Lichtflecken auf dem Flüsschen des Wadis.
    Ora springt von ihrem Stuhl auf, rast in Adams Zimmer, sie ahnt das Schlimmste.
    Doch Adam steht einfach nur da, mitten im Kinderzimmer, zwischen unglaublichen Bergen von Kleidern, Spielzeug, Schulheften, Handtüchern und Bällen, erstarrt, etwas nach vorne gebeugt.
    Adam, was ist los?
    Ich weiß nicht, mir ist es reingefahren.
    In den Rücken?
    Überall. Offensichtlich hatte er sich mitten drin, zwischen einem Bewegungssegment und dem nächsten, im Nichts verfangen. Ora umarmt ihn, massiert ihm Hals und Rücken. Sein Körper ist völlig steif, lange Minuten lockert sie ihn, so wie sie es mit Avram in der Reha gemacht hat, so wie sie es mit ihren Patienten macht; sie gibt dem Körper seine Erinnerung, die Musik seiner Bewegung zurück, bis Adams Verkrampfung sich etwas löst, dann setzt sie ihn auf einen Stuhl und sich selbst im Schneidersitz zu seinen Füßen auf den Boden.
    Tut’s noch weh?
    Nein, jetzt ist es okay.
    Komm, dann machen wir das jetzt zusammen.
    Sie hebt Kleider und Spielsachen vom Boden auf und gibt sie ihm, damit er sie aufräumt. Er gehorcht, geht in seinen Roboterbewegungen zum Schrank und zum Regal und wieder zu ihr. Sie sagt nichts zu seinem Handeln und seinen Gesten, schaut ihn nur immer wieder heimlich an.
    Da kommt Ofer nach Hause, von einer tollen Woche bei Oma und Opa in Haifa, und schließt sich freudig der Aufräumaktion an. Als hätte jemand im Zimmer ein großes Licht angemacht, verziehen sich die schlechten Gedanken. Auch Adam strahlt. Ora, die weiß, wie sehr Ofer unter Unordnung und Schmutz leidet, bewundert ihn im Stillen,wie er es zugelassen hat, dass Adam ihr gemeinsames Zimmer zu einem solchen Müllhaufen verkommen ließ. Nicht ein einziges Mal hat er sich in diesem Monat beschwert. Vielleicht

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