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Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Titel: Eine Frau flieht vor einer Nachricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Grossman
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Rucksack einen ganzen Kuchen klaute. Sie redeten mit lauten, rauhen Stimmen, wie immer, wenn sie vom Militär sprachen, aber vielleicht auch, weil Ofers Ohren ständig von Panzerstaub und Kettenöl verstopft waren. Ora und Ilan lachten immer wieder, genossen das Zusammensein, aßen von dem würzigen Brot. Ihre Aufgabe hier war bekannt: Sie bilden den Hintergrund, sie sind der Resonanzraum, in dem die Erklärung des Erwachsen- und Unabhängigseins ihrer Söhne immer wieder hörbar wird; wohl auch für die Söhne selbst erst hörbar wird, egal in welchem Alter, damit sie irgendwann an ebendieses Erwachsensein und ihre Unabhängigkeit glauben können. Sie redeten auch wieder über kleine und größere Unfälle beim Militär – diese Gespräche im Restaurant hatten einen ziemlich festen Aufbau, begreift Ora plötzlich, es gab eine geplante, schrittweise Eskalation. Adam erzählte, wie zu Anfang seines Dienstes in der Panzerbrigade einer der Offiziere ihnen gezeigt hatte, was einem Fahrer passieren könne, der in den Schwenkbereich des Geschützrohrs gerät: Er stellte eine Holzkiste auf die Wanne, neigte das Geschütz und zeigte, wie das Rohr die Holzkiste zerquetschte, und genau das wird jemandem passieren, der ohne Absprache mit dem Richtschützen aus dem Panzer klettert, betonteAdam als Warnung gegenüber seinem kleinen Bruder, und Ora bekam eine Gänsehaut; bei uns, erzählte Ofer, gibt es einen Soldaten, so ein armer Kerl, echt ein Idiot, der es auch drauf anlegt, der es immer von allen abkriegt, und vor einem Monat oder so, bei einer Tarnübung, ist er vom Panzer gefallen und ihm ist die Hand angeschwollen. Da haben sie ihn zum Sanitäter ins Zelt geschickt, und da ist ein Antennenmast auf ihn gefallen und hat ihm den Kopf aufgeschlagen … Ilan und Ora tauschten schnell schockierte Blicke aus, und sie wussten nur zu gut, sie durften auf die Geschichte nicht reagieren, auch nicht mit einem Wort. Alles, was sie sagen würden, jeder besorgte Gesichtsausdruck, würde weitere Spitzen provozieren – »Kleidchen von links«, mit diesen Worten pflegt Adam Ofer vor Ora zu warnen –, doch hatten Adam und Ofer diesen Blickwechsel natürlich mitbekommen, und so waren alle auf ihre Kosten gekommen, und jetzt, nachdem die Fundamente gelegt waren, nachdem sie den Eltern hinreichend klargemacht hatten, vor wie vielen unterschiedlichen Gefahren sie ihre Söhne nicht länger würden bewahren können, erzählte Ofer so nebenbei, dass der Terrorist, der sich vor zwei Wochen auf dem Busbahnhof von Tel Aviv hochgejagt und vier Zivilisten mitgenommen hatte, vermutlich durch seinen Checkpoint gekommen war, durch den Checkpoint, für den sein Regiment zuständig war.
    Ilan fragte vorsichtig, ob man wisse, wann genau der Terrorist dort durchgekommen war und ob jemand die Soldaten seines Regiments beschuldige, und Ofer erklärte, man könne nicht wissen, in wessen Schicht er durchgegangen sei, und es könne auch sein, dass er eine neue Art von Sprengstoff am Körper trug, den man am Checkpoint überhaupt nicht erkennen kann. Ora war gar nicht in der Lage zu reden, sie schwieg, und Ilan schluckte trocken und sagte, weißt du, was? Ich bin froh, dass der Terrorist sich in Tel Aviv hochgejagt hat und nicht bei dir am Checkpoint, und Ofer protestierte, aber Papa, das ist meine Aufgabe, zu diesem Zweck steh ich da, dass er mit mir hochgeht und nicht in Tel Aviv.
    Und Ora – wie hat sie reagiert? Dieser Moment ist jetzt etwas verschwommen, sie kann ihn nicht rekonstruieren – sie weiß nur noch, dass sie plötzlich ganz hohl wurde, nur noch eine Schale ihrer selbst. Irgendetwas hatte sie im Mund gehabt, vermutlich ein Stück Roggenbrotmit Pinienkernen, das sie in das Pesto mit Walnüssen getaucht hatte. Ofer und Adam redeten schon über einen anderen Soldaten, den sie beide kannten, der am Ende eines Ausbildungsabschnitts am Elterntag mit ausgebreiteten Armen auf ein fremdes Ehepaar zugelaufen war und gerufen hatte: Mama, Papa, erkennt ihr mich nicht mehr? – Ofer, Adam und wohl auch Ilan kriegten sich nicht ein vor Lachen, und Ora saß fassungslos dabei, die nymphenhaften Kellnerinnen huschten zwischen den Tischen umher und hauchten ihr »Ist alles in Ordnung?«, »Schmeckt es Ihnen?«, und vor zwei Wochen war ein mit Sprengstoff bepackter Terrorist an Ofer vorbeigegangen, und das war Ofers Aufgabe, zu genau diesem Zweck stand er da, dass der Terrorist mit ihm hochgeht und nicht in Tel Aviv.
    Dann wurde Ofer sehr ernst und erzählte Adam

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