Eine Frau für Caracas
Severin wieder auf der Bildfläche erscheint.«
»Natürlich!« knurrte Dyrenhoff. »Aber wer macht sich schon gern zum Überbringer unangenehmer Nachrichten?«
»Ich verstehe es trotzdem nicht«, sagte Werner. »Schließlich ist die Ehe geschieden worden, und es ist doch völlig gleichgültig, ob Severin frei herumläuft oder nicht.«
»Das schon«, sagte Dyrenhoff zögernd. »Juristisch ist mit der Scheidung jede Verbindung zwischen den beiden gelöst. Die Frage bleibt nur, ob sie auch praktisch zerschnitten ist.«
»Entschuldige, aber jetzt komme ich nicht mehr ganz mit!« sagte Werner kopfschüttelnd. »Wozu haben sich die beiden denn eigentlich scheiden lassen?«
»Für Frau Eyssing ist die Sache selbstverständlich erledigt. Aber du vergißt dabei, daß sie es war, die die Scheidung angestrebt und durchgesetzt hat. Severin hat sich lange dagegen gewehrt, und ich hatte meine Mühe, ihn dahin zu bringen, daß er schließlich in die Scheidung einwilligte.«
»Erlaube! Ein Mann, der zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden war! Was blieb ihm denn anderes übrig, als einzuwilligen?«
»So einfach, wie du dir das denkst, liegt die Geschichte nicht. Seine Gefängnisstrafe an sich war kein Scheidungsgrund, oder sagen wir einmal, ein ziemlich unzulänglicher — obwohl ich wahrscheinlich auch damit durchgekommen wäre. Aber doch nur mit Schwierigkeiten. Und zudem hätte Severin den Prozeß endlos in die Länge ziehen können. Mir und natürlich auch Anita Eyssing aber lag es daran, die Sache so rasch wie möglich und ohne großes Aufsehen hinter uns zu bringen. Ich mußte also grobes Geschütz auffahren, bis ich Severin dahin bekam, daß er seinen Widerstand aufgab.«
»Zum Teufel!« rief Werner und griff sich an den Kopf, »jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr. Es war doch eine total zerrüttete Ehe. Was bezweckte der Kerl also mit seinem Widerstand?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Dyrenhoff achselzuckend. »Ich habe mir darüber natürlich auch den Kopf zerbrochen, aber ich bin nicht dahintergekommen.«
»Und was vermutest du?«
»Ich bin mit Vermutungen immer sehr vorsichtig«, antwortete Dyrenhoff ausweichend. »Aber soviel scheint mir sicher zu sein: es lag ihm daran, den Prozeß bis zu seiner Freilassung hinauszuzögern. Vielleicht hoffte er darauf, später wieder einen gewissen Einfluß auf sie zu gewinnen...«
»Du sagtest vorher, du wärest mit schwerem Geschütz aufgefahren, als er sich gegen die Scheidung sträubte. Waren es Weibergeschichten?«
»Das möchte man bei einem Schauspieler fast als sicher annehmen, nicht wahr?« fragte Dyrenhoff zurück und grinste flüchtig. »Aber du wirst staunen, es gab nichts derlei. Und Bühnenküsse sind nur dann ein Scheidungsgrund, wenn sie sich hinter den Kulissen fortsetzen. — Mein Geschütz war nicht mit Damen geladen, sondern mit den lieben Nachbarn rechts, links, unten und oben, die es mit angehört hatten, wenn in der Severinschen Wohnung die Scherbenmännchen am Werk waren. Ich stellte ihm vor, daß es für ihn doch einigermaßen peinlich werden würde, wenn alle diese unerfreulichen Begebenheiten in breitester Öffentlichkeit verhandelt werden müßten. Das sah er ein, und damit war der Rest nur noch eine Formsache. Der ganze Prozeß dauerte nicht länger als zehn Minuten, dann lüftete der Richter sein Barett und sprach die Scheidung aus. Alleinschuld des Mannes infolge ehewidrigen Verhaltens.«
Dyrenhoff nahm die Brille ab, um die Gläser zu behauchen und mit einem kleinen Lederlappen, den er aus der äußeren Brusttasche zog, blank zu reiben.
»Aber damit ist die Geschichte noch nicht ganz zu Ende«, sagte er nach der kleinen Unterbrechung. »Als ich Severin das letztemal aufsuchte, sah er mich mit einem merkwürdigen Blick an und sagte ziemlich wörtlich: Schön, Herr Doktor, damit haben Sie also heute Ihr Ziel erreicht. Eine Kavaliersscheidung, wie Sie die Sache trotz meiner nicht gerade kavaliersmäßigen Kluft zu nennen geruhten. Aber ich glaube, das letzte Wort in dieser Sache wird doch erst gesprochen werden, wenn ich aus den Gittern herauskomme.«
Werner hob rasch das Gesicht und starrte Dyrenhoff an. »Was soll das?« fragte er. »Hattest du den Eindruck, es stecke eine Drohung dahinter?«
Dyrenhoff hob die Schultern und legte den Kopf schief zur Seite: »Den Vers darauf mußt du dir selber machen. Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht! Aber manchmal habe ich das Gefühl, hinter dieser Ehe — und auch
Weitere Kostenlose Bücher