Eine Frau für Caracas
deklamierte, und Karin flüsterte ihm die Stichworte zu, wenn er steckenzubleiben drohte.
Alle klatschten Berndi und Karin für die hochkünstlerische Leistung begeisterten Beifall, der sich nach dem feierlichen Taufakt noch steigerte. Karin hatte für den Wagen den Namen Roland gewählt. Warum gerade Roland, blieb ihr Geheimnis. Alle bekamen einen Schluck Sekt, sogar die Kinder durften mit den spitzen Kelchen anstoßen, und zum Schluß überreichte Birgit Onkel Werner eine Autovase mit zwei roten Nelken, zu der alle von ihrem Taschengeld beigesteuert hatten. Und die Vase wurde sogleich am Armaturenbrett montiert.
Später wurde die Pfirsichbowle aufgefahren, Christine bekam auch ihr Teil davon ab, und die Kinder durften eine Stunde länger als sonst aufbleiben, obwohl es ein ganz gewöhnlicher Wochentag war. Natürlich bedrängten sie Werner wieder einmal, von Venezuela, von Caracas, von den Ölcamps am Maracaibosee und von der tropischen Hitze zu erzählen, die dort so groß ist, daß nach einem venezolanischen Sprichwort die Leute von Maracaibo nach ihrem Tode ein dickes Federbett in die Hölle mitnehmen, um nicht zu frieren. Aber am schönsten waren doch die Schlangengeschichten, bei denen man sich ein wenig gruseln konnte. Es waren haarsträubende Abenteuer, die Werner beim Baden mit Haifischen und Kaimanen und im Dschungel mit fingerdünnen, langen Speischlangen, riesigen Anaconden und mit der bösartigsten von allen, der bleistiftlangen, schwarz-weiß-rot gestreiften German-flagg zugestoßen waren.
»Echt wahr, Onkel Werner, und so ein Biest hat dir ein Indio einmal in einen von deinen Schuhen ‘reingelegt?« fragte Berndi mit heißen Backen.
»So wahr ich Millionär bin!« schwor Werner feierlich.
Bei der Bowle hielt er sich so auffallend zurück, daß Dyrenhoff in der Meinung, das Gebräu behage ihm nicht, anfragte, ob er etwas Schärferes zu trinken wünsche. Wahrscheinlich war ihm selber nach einem Cognac zumute, denn er hatte von dem vorzüglichen kalten Roastbeef mit Remoulade, das Christine ihnen zum Abend vorgesetzt hatte, entschieden zuviel erwischt. Er war sichtlich enttäuscht, als Werner das Angebot ablehnte. Erst, als Werner in vorgerückter Stunde sich erbot, Anita Eyssing in seinem Wagen heimzufahren, begriff Dyrenhoff, woher diese ungewöhnliche Zurückhaltung kam. Anita Eyssing nahm Werners Angebot, ohne sich lange zu sträuben, an. Es war fast zwölf, als sie sich von Gerda und Dyrenhoff verabschiedeten.
»Wie das wohl ausgehen wird...?« murmelte Gerda. Sie saß vor ihrem Frisiertisch und sah wie ein Clown aus, da sie ein paar Tupfen Nachtkreme auf Nase, Stirn und Wangen gedrückt hatte, um sie mit rotierenden Massagestrichen auf der Haut zu verteilen.
Dyrenhoff stand hinter ihr und sah ihrem Tun im Spiegel kopfschüttelnd zu: »Wozu machst du das eigentlich, Süße? Du hast eine Haut wie ein siebzehnjähriges Mädchen und schmierst dich andauernd mit diesem fettigen Zeug ein. Und wenn man dich küßt, dann schmeckst du wie die Zuckergußseite von einem Amerikaner...«
»Du hast neuerdings Vergleiche, Dyrenhoff...! Aber das mit dem jungen Mädchen fand ich ausgesprochen nett. Du könntest mir so etwas ruhig öfter sagen. Was habe ich eigentlich von dir? Erstaunlich, daß du wenigstens jetzt, seit Werner hier ist, ein paarmal pünktlich zum Essen heimgekommen bist. Ist das überhaupt noch ein Familienleben? Ich habe von dir genausoviel , als ob ich deine Witwe wäre. Ach was, weniger! Als Witwe könnte ich wenigstens auf deinem Grab die Blumen gießen und wüßte dich unten...«
»Donnerwetter, die vier Gläschen Bowle haben dich aber gesprächig gemacht, Liebling!«
»Ich habe dich doch etwas gefragt, Dyrenhoff... Was war es nur?«
»Du hast gefragt, wie das mit den beiden wohl ausgehen wird.«
»Richtig! — Und ich finde, es wird für Werner höchste Zeit, eine Familie zu gründen. Jetzt ist er noch ein flotter Kerl...«
»Die Weiber fliegen auf ihn wie die Wespen auf den Honig«, knurrte Dyrenhoff. »Sogar unsere Christine kriegt runde Augen und fängt zu flöten an, wenn der hohe Herr mit ihr zu schäkern geruht...«
»Red’ keinen Unsinn, Dyrenhoff!«
»Jedenfalls habe ich noch nie so gut gegessen wie in den letzten acht Tagen. Herr Gisevius hier und Herr Gisevius dort... Und was darf es sein, Herr Gisevius? Zunge in Madeira oder Kalbslendchen mit pommes frites und Butterböhnchen? Am liebsten möchte sie ihm seine Leibgerichte von vorne und von hinten
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