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Eine Frau für Caracas

Eine Frau für Caracas

Titel: Eine Frau für Caracas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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meines Vaters, Tante Constanze. Ich war töricht genug, mir einzubilden, sie würde mir Geld geben, und sie würde es mir ermöglichen, irgendwohin zu gehen, nach England oder nach Frankreich...«
    »Und natürlich packte Tante Constanze Sie auf und brachte Sie zu Ihren Eltern zurück...?«
    »Selbstverständlich. — Und zwar postwendend. Der Chauffeur machte sozusagen den Wagen schon fertig, als das Mädchen mich ihr meldete.«
    »Und was sagte Ihr Vater zu Ihrem Abenteuer?«
    »Nichts! Kein einziges Wort! Er behandelte mich zwei Jahre lang, als ob ich überhaupt nicht vorhanden sei. Erst, als meine Mutter vorsichtig nachzuforschen begann, wer mir den wahnsinnigen Gedanken eingegeben hätte, auszureißen, begann ich zu ahnen, was sie eigentlich vermuteten.«
    »Cherchez l’homme , könnte man in diesem Falle sagen...«
    »Ja, und sie schienen es unbegreiflich zu finden, daß es keinen Verführer gab. Zur Vorsicht wurde mit Ausnahme von Ferdinand, dem Diener meines Vaters, das ganze Personal gewechselt.«
    Werner hatte genug Phantasie, um sich die Szenerie und auch die Szene selber vorzustellen. Es war eine Groteske. Hätte er nicht die Erbitterung gespürt, die bei Anita Eyssing noch in der Erinnerung an jene häusliche Auftritte lebendig wurde, er wäre in ein Gelächter ausgebrochen.
    »Und wie ging es weiter?« fragte er gespannt.
    »Wie es mir gelungen ist, zwei Jahre später nach München zu kommen, weiß ich offen gesagt heute noch nicht. Ich möchte annehmen, mein Vater hatte mich innerlich bereits abgeschrieben wie ein faules Aktienpaket. Ich bekam monatlich meinen Scheck, nicht allzu hoch, aber auch nicht allzu niedrig, ich nehme an, daß es genau die Summe war, die er einmal von seinem ziemlich sparsamen Vater zum Studium als Monatswechsel bekommen hatte. Große Sprünge waren davon nicht zu machen. Aber ich hatte ja auch gar nicht die Absicht, hoch zu springen. Mir genügte es,! hüpfen zu können. Denn wenn man so lange gefesselt war, dauert es seine Zeit, bis das Blut richtig zirkuliert...«
    »Und dann kam...«, er wollte Severin sagen, unterdrückte aber den Namen und beendete die Frage mit »die Ehe...?«
    »Ich wollte ihn natürlich meinen Eltern vorstellen. Aber mein Vater empfing uns nicht. Für mich hatte er drei Minuten Zeit. Drei Minuten, in denen er mir kühl erklärte, er nehme diese Ehe nicht zur Kenntnis, aber auf die monatliche Zuwendung könne ich weiter rechnen. Am liebsten hätte ich darauf verzichtet, aber ich kam gar nicht mehr zu Wort, sondern wurde wie ein lästiges Insekt abgeschoben — er hatte eine charakteristische Handbewegung, es sah aus, als fege er einen Krümel vom Tischtuch —, und das war das letztemal , daß ich ihn gesehen habe.«
    Sie drehte die Scheibe wieder hoch, als genüge ihr jetzt wieder die vorhandene Luft zum Atmen, und zog die Aufschläge ihres hellgrauen Mohairmantels über der Brust zusammen, als fröstele es sie plötzlich.
    »Und dann kam der scheußliche Skandal, den die Abendblätter bis in die intimsten Einzelheiten ausschlachteten, und dann kam die Scheidung. Glauben Sie, daß man dann, wenn man wirklich scheitert, gern hören möchte, daß andere bedeutend gescheiter waren als man selbst und dieses Ende natürlich längst vorausgesehen hatten?«
    Sie erwartete keine Antwort, sondern fügte noch abschließend hinzu: »Nach der Scheidung erhielt ich von dem Justitiar der Eyssingwerke ein paar Zeilen des Inhalts, Herr Doktor Eyssing wünsche keine Verbindung mit mir. Von meiner Mutter bekomme ich regelmäßig einen kleinen Betrag überwiesen, allerdings nicht von ihr persönlich, sondern er wird mir von Anna, unserer alten Köchin, überwiesen. Sicherlich weiß mein Vater davon. Er weiß alles, was im Hause vorgeht. Aber vielleicht duldet er es in der Befürchtung, ich würde sonst womöglich noch in Schande enden...« Sie sagte es mit einem kleinen, trockenen Gelächter, das fast heiter klang.
    »Wenn man das hört«, murmelte Werner kopfschüttelnd, »möchte man meinen, das alles sei nicht von dieser Welt... Und ich muß gestehen, daß ich Sie bewundere, wie Sie nach dieser Jugend und nach Ihren späteren Erlebnissen so gerade geworden oder geblieben sind. Schwächere Naturen wären innerlich verkrüppelt. Sie sind es nicht! Nein, Sie sind es wahrhaftig nicht...«
    »Lassen Sie«, wehrte sie ab, »ich habe einen Knacks abbekommen, den ich noch immer nicht ganz überwunden habe. Aber ich spüre, daß die Schatten blasser werden.«
    Sie waren

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