Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Frau für Caracas

Eine Frau für Caracas

Titel: Eine Frau für Caracas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
Vom Netzwerk:
Feuerzeug aufspringen und reichte es Werner hinüber, dann zündete er seine Zigarette an und inhalierte den Rauch mit halbgeschlossenen Augen, es sah aus, als hätte er diesen Genuß jahrelang entbehrt. Der Espresso kam, und sie nippten vorsichtig an dem glühend heißen, bitteren Kaffee.
    »Sie können sich denken, Herr Severin«, sagte Werner und starrte dabei in die Glut seiner Zigarette, »daß heute in mir einiges zusammengestürzt ist. Wahrscheinlich haben Sie einmal genau das gleiche erlebt.«
    »Genau das gleiche!« nickte Severin, »kurz vor der Trauung, als sie es nicht länger verhindern konnte, dem Standesamt ihre Papiere einzureichen. Der Standesbeamte entdeckte in ihrer Geburtsurkunde unter der Rubrik Beruf des Vaters eine Rasur. Die Worte >Dr. chem. Fabrikant< waren mit einer anderen Maschine geschrieben, einer ähnlichen Type, aber sie entsprach doch nicht haargenau dem anderen Schriftbild. Der Mann läutete mich an, es war anständig von ihm, und bestellte mich zu sich aufs Amt. Ich will nicht behaupten, daß ich bereits vorher Verdacht geschöpft hatte. Aber irgendwelche Unstimmigkeiten in ihren Erzählungen über ihr Elternhaus und ihre Erziehung durch Gouvernanten und Hauslehrerinnen waren mir aufgefallen, vor allem, ihr Bildungsniveau entsprach nicht dieser kostspieligen Erziehung. Kurzum, ich setzte mich in den Wagen, fuhr nach Frankfurt, erzählte dort, die Geburtsurkunde meiner zukünftigen Frau sei durch ein Ungeschick zusammen mit anderen Papieren verbrannt worden, und bekam eine neue Ausfertigung. Darin stand nun >Fabrikschlosser<, und der Rest war nur noch eine Sache von einem Telefongespräch mit dem Einwohnermeldeamt und einem kurzen Besuch in der Personalabteilung der Eyssing-Werke .«
    »Und Sie haben sie dann doch geheiratet... ?« sagte Werner, aber es war mehr Feststellung als Frage.
    »Ja, ich habe sie doch geheiratet«, antwortete Severin, »denn ich liebte sie. Mich empörte zwar die Hochstapelei, und es gab die erste böse Szene zwischen uns, aber vielleicht hatte ich gerade durch meinen Beruf Verständnis für sie. Es war eine Rolle, die sie gespielt hatte, die Rolle der jungen Dame aus der High Society Frankfurts, eine Rolle, in die sie im Verlaufe von ein paar Jahren so sehr hineingeschlüpft war, daß es ihr selber nicht mehr möglich war, Lüge und Wahrheit zu unterscheiden. — Ich kenne das aus eigener Erfahrung. Wenn eine Rolle mich sehr fesselte, dann spielte ich sie nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Leben weiter, sehr zum Amüsement meiner Umgebung...«
    »Sie sprechen genau das aus, was ich mir heute gedacht habe«, sagte Werner, »und schließlich«, er hob die Hände und ließ sie wieder sinken, »ich wollte sie ja nicht deshalb heiraten, weil sie die Tochter eines ungewöhnlich gut situierten Mannes ist.«
    »Merkwürdig, wie sich die Dinge wiederholen...«, sagte Severin und nickte Werner zu. »Damals war ich es und heute sind Sie es, der diese Frau trotzdem heiraten will.« Er blickte auf und sah Werner fragend an: »Sie sind doch dazu entschlossen, sie zu heiraten, nicht wahr?«
    »Und wenn es so wäre?« fragte Werner ein wenig scharf, »haben Sie mich zu dieser Aussprache bestellt, um mich zu warnen?«
    »Nein!« antwortete Severin und sein Gesicht verhärtete sich, »und verzeihen Sie mir meine Offenheit, denken Sie meinethalben, ich sei ein brutaler Kerl — aber Ihr Schicksal geht mich nichts an. Werden Sie mit ihr glücklich oder unglücklich, das ist mir ganz I egal. Wenn ich meine ehemalige Frau sprechen will und sprechen muß, dann deshalb, weil es um mein Leben geht.«
    Die Muskeln spielten in seinen eingefallenen Wangen, er ballte die rechte Hand zur Faust und paukte mit ihr ein paar lautlose Schläge auf die Tischkante.
    »Sie denken wahrscheinlich, daß das große Worte sind«, sagte er nach einer kleinen Weile ruhiger, »aber es ist genauso, wie ich es sage. Es geht um mein Leben. — Es geht mir nicht um Rache und auch nicht um Vergeltung, selbst dann nicht, falls ich es aus ihr herauspressen müßte, wenn es mir gelingen soll, die Wahrheit zu erfahren. Es geht mir auch nicht etwa darum, sie dorthin zu bringen, wo ich drei Jahre lang Bastmatten geflochten habe. Drei Jahre, Mensch!« wiederholte er mit aufflammender Wildheit. Aber die Flamme erlosch so schnell, wie sie in seinen Augen aufgeglüht war. »Diese Jahre sind vorbei und keine Macht und Welt kann sie mir zurückgeben. Als ich verurteilt wurde, da ließ ich mich einsperren wie ein

Weitere Kostenlose Bücher