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Eine Frau in Berlin

Eine Frau in Berlin

Titel: Eine Frau in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonyma
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hat Neuralgie.
    Der Wind pfeift durch die kümmerlich mit Pappe vernagelten Fenster, zerrt an den Fetzen, daß sie knattern, wirft flackriges Tageslicht herein. Es ist bald hell, bald dunkel im Zimmer; immer bitter kalt. Ich habe mich in eine Wolldecke gewickelt und schreibe mit klammen Fingern, während Herr Pauli schläft und die Witwe irgendwo im Haus herumgeistert, auf der Suche nach Kerzen.
    Von draußen hallen russische Laute herein. Iwan spricht mit seinen Gäulen. Zu den Pferden sind sie weit freundlicher als zu uns, bekommen gute warme Stimmen, sprechen geradezu menschlich mit den Tieren. Manchmal wehen Schwaden von Pferdegeruch herein. Kettengeklirr. Irgendwo spielt einer Harmonika.
    Blick zwischen den Pappfetzen hindurch aus dem Fenster. Unten ist Biwak. Auf dem Bürgersteig Pferde, Wagen, Tränkeimer, Kästen mit Heu und Hafer, zertretener Pferdemist, Kuhfladen. Im Torweg gegenüber brennt ein Feuerchen, mit zerklopften Stühlen gespeist. Iwans in Wattejacken hocken drum herum.
    Meine Hände zittern. Die Füße sind Eis. Gestern abend hat uns eine deutsche Granate die letzten Scheiben zerschlagen. Nun ist die Wohnung ganz dem Ostwind preisgegeben. Gut, daß nicht Januar ist.
    Zwischen löchrigen Wänden hetzen wir hin und her, horchen bang nach draußen, beißen bei jedem Laut die Zähne zusammen. Die kaputte Hintertür, schon längst nicht mehr verstellt, steht offen. Immerzu rennt Mannsvolk durch die Küche, durch den Gang und die beiden Zimmer. Vor einer halben Stunde war ein Wildfremder, Hartnäckiger da, wollte mich, wurde verjagt. Rief drohend: »Ich komme wieder.«
    Was heißt Schändung? Als ich das Wort zum ersten Mal laut aussprach, Freitag abend im Keller, lief es mir eisig den Rücken herunter. Jetzt kann ich es schon denken, schon hinschreiben mit kalter Hand, ich spreche es vor mich hin, um mich an die Laute zu gewöhnen. Es klingt wie das Letzte und Äußerste, ist es aber nicht.
    Samstag nachmittag gegen 15 Uhr schlugen zwei mit Fäusten und Waffen gegen die Vordertür, brüllten rauh, traten gegen das Holz. Die Witwe öffnete. Sie zittert jedesmal um ihr Türschloß. Zwei Grauköpfe, taumelnd, betrunken. Sie stoßen ihre Automatengewehre in die letzte heile Flurscheibe. Klirrend fallen die Scherben in den Hof hinab. Dann reißen sie das Verdunklungsrollo in Fetzen herunter, treten gegen die alte Standuhr.
    Der eine greift nach mir, treibt mich in das vordere Zimmer, nachdem er die Witwe aus dem Weg gestoßen hat. Der andere baut sich an der Vordertür auf, hält die Witwe in Schach, stumm, mit dem Gewehr drohend, ohne sie zu berühren.
    Der mich treibt, ist ein älterer Mensch mit grauen Bartstoppeln, er riecht nach Schnaps und Pferden. Klinkt sorgfältig hinter sich die Tür zu und schiebt, als er keinen Schlüssel im Schloß findet, den Ohrensessel gegen die Füllung. Er scheint die Beute gar nicht zu sehen. Um so erschreckender sein Stoß, der sie zum Lager treibt. Augen zu, Zähne fest zusammengebissen.
    Kein Laut. Bloß als das Unterzeug krachend zerreißt, knirschen unwillkürlich die Zähne. Die letzten heilen Sachen.
    Auf einmal Finger an meinem Mund, Gestank von Gaul und Tabak. Ich reiße die Augen auf. Geschickt klemmen die fremden Hände mir die Kiefer auseinander. Aug in Auge. Dann läßt der über mir aus seinem Mund bedächtig den angesammelten Speichel in meinen Mund fallen.
    Erstarrung. Nicht Ekel, bloß Kälte. Das Rückgrat gefriert, eisige Schwindel kreisen um den Hinterkopf. Ich fühle mich gleiten und fallen, tief, durch die Kissen und die Dielen hindurch. In den Boden versinken – so ist das also.
    Wieder Aug in Auge. Die fremden Lippen tun sich auf, gelbe Zähne, ein Vorderzahn halb abgebrochen. Die Mundwinkel heben sich, von den Augenschlitzen strahlen Fältchen aus. Der lächelt.
    Er kramt, bevor er geht, etwas aus seiner Hosentasche, schmeißt es stumm auf den Nachttisch, rückt den Sessel beiseite, knallt hinter sich die Tür zu. Das Hinterlassene: eine verkrumpelte Schachtel mit etlichen Papyrossen darin. Mein Lohn.
    Als ich aufstand, Schwindel, Brechreiz. Die Lumpen fielen mir auf die Füße. Ich torkelte durch den Flur, an der schluchzenden Witwe vorüber ins Bad. Erbrechen. Das grüne Gesicht im Spiegel, die Brocken im Becken. Ich hockte auf der Wannenkante, wagte nicht nachzuspülen, da immer wieder Würgen und das Wasser im Spüleimer so knapp.
    Sagte dann laut: Verdammt! und faßte einen Entschluß.
    Ganz klar: Hier muß ein Wolf her, der mir die Wölfe

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