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Eine Frau in Berlin

Eine Frau in Berlin

Titel: Eine Frau in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonyma
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Kartjuscha, kein Schuß, nichts. Mit schöner Stimme singt der Major, im Zimmer umherhumpelnd und sein Bein bewegend, allerlei Lieder, so das zauberhafte »Bleib, verweile doch, du Schöne mein.« Hockt sich dann auf die Bettkante, spielt auf einer kleinen Mundharmonika, die er aus der Tasche zog, einen Marsch – so feurig, so geschickt, daß man staunen muß. Unterdes hilft der Asiat – er sagt auf meine Frage, daß er aus Usbekistan stammt – seinem Herrn sanft in die weichen Lederstiefel, bemüht, das kranke Bein zu schonen. Dabei himmelt er den musizierenden Major an und seufzt in fremd klingendem Russisch: »Ech, wie ist das so schön!«
    Später, als beide gegangen waren, hörte die Witwe im Treppenhaus, daß gegen vier Uhr die Kapitulation von Berlin unterzeichnet worden sei – jemand hatte es mit dem Detektor gehört. »Frieden«, so glaubten wir und freuten uns. Bis wir nachher erfuhren, daß in Nord und Süd der Krieg weitergeht.
    Mittwoch, die Stunden schleichen dahin. Immer wieder werde ich beim Schreiben unterbrochen. Doch nun stört sich schon keiner mehr an meinem Gekritzel. Allenfalls sagt mal einer: »So ist's recht. Lernt ihr nur fleißig Russisch.«
    Immerzu Russen, Schnaps, Küchenarbeit, Wasserschleppen. Irgendwo soll noch ein Holzbalken liegen, schnell hin, sonst schleppt ihn ein anderer ab. Zwei von Anatols Männern kamen aus der verlassenen Wohnung gelaufen, die sie die letzten Tage innehatten – Matratzen und Deckbetten überm Arm. Wohin sie wohl ziehen mögen? Von Anatol selbst keine Spur. Offenbar hat der Leutnant nicht gelogen. Übrigens hat mir der Major beim Abschied versprochen, daß er gut für mich sorgen, mir zu essen bringen werde. Das soll mir recht sein. Es ärgert mich schon seit Tagen, daß ich von dem Butterklumpen, den Herr Pauli vom Volkssturm mitgebracht hat, mitzehren muß. Das ist jetzt ein anderes Leben als droben in meiner kahlgefressenen, hungrigen Dachwohnung. Zuerst die letzten deutschen Zuteilungen. Dann mein Geraubtes, die Plünderbeute aus der Schupo-Kaserne, die Kartoffeln aus der Baracke. Auch hatte die Witwe noch kleine Vorräte an Kartoffeln, Hülsenfrüchten, Speck. Und was hat Anatol mitsamt seinem Haufen alles bei uns hinterlassen an Brot, Heringen, Speckkanten, Büchsenfleisch! (Nur vom Alkohol blieb nie was übrig.) Dazu die beiden Fleischbüchsen aus den weißen Händen von Stepan-Aljoscha! Davon läßt es sich leben. Eigentlich habe ich seit Jahren nicht so fett gegessen, war seit Monaten nicht mehr so satt nach den Mahlzeiten. Es kann ja nicht so bleiben. Einstweilen jedoch stopfe ich mich voll, fülle mich mit Kräften auf.
    Draußen Kälte und verhangener Himmel. An der Pumpe stand ich heut lange im dünnen Regen. Ringsum in den zertrampelten Gärten brennen Feuerchen, ertönt Männergesang zum Schifferklavier. Vor mir steht eine Frau in Männerschuhen, einen Schal um den Kopf und um das halbe Gesicht gewickelt, mit dickverweinten Augen. Ringsum Stille, zum ersten Mal, seit ich nach Wasser anstehe. Die Kartjuschas schweigen. Noch schwelt der Himmel gelb. Die Nacht zum Mittwoch war voll Brand. Doch kein Schuß mehr in Berlin, Ruhe. Wir stehen so da, der Regen pladdert, wir sprechen nur wenig und leise. Die Pumpe knarrt, der Schwengel quietscht, Russen füllen einen Kanister nach dem anderen. Wir warten. Die Jammergestalt vor mir berichtet monoton, nein, sie sei bisher nicht vergewaltigt worden, sie habe sich mit ein paar anderen Hausbewohnern im Keller einsperren können. Nun sei jedoch ihr Mann zurückgekehrt, von der Truppe, man verstehe wohl schon... Und nun müsse sie sich um ihn kümmern, ihn verstecken, für ihn Speise und Trank heranschaffen, da könne sie auf sich selber keine Rücksicht mehr nehmen. Derweil zetert hinter mir eine ungekämmte Type: »Meine gute Couch, königsblauer Samt, ich hatte zwei passende Sessel dazu, die haben sie mir kaputtgehauen und verheizt!« Und schließlich weiß ein Mann, ein dürrer Knochen mit einem Gesicht so klein wie eine Faust, eine Geschichte zu berichten: In seinem Haus halte eine Familie die junge Tochter flach unter der Chaise-longue versteckt – die Decke sei bis zum Boden herabgezogen, und es hätten schon Russen daraufgesessen, ohne zu ahnen, daß dies Mädel darunterlag... Ob's wahr ist oder erfunden, ich weiß es nicht. Möglich wäre es schon. Wir leben in Kitschromanen und Kolportage.
    Ich kann mich nicht verstecken, obwohl ich ein verborgenes Schlupfloch im Dachgeschoß weiß. Hab ja

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