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Eine Frau in Berlin

Eine Frau in Berlin

Titel: Eine Frau in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonyma
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haut um sich, schnaubt und brüllt. Er beruhigt sich mit einem Ruck wieder, holt mich ein und erklärt mir, wobei er auf seinen Hinterkopf deutet, daß er seit einem bei Stalingrad erhaltenen Kopfschuß immer so heftig und wild sei und oft selber nicht wisse, was er in seinem Zorn tue – früher sei er nicht so gewesen. Ich sehe ihn ängstlich an, beeile mich mit meinen beiden Eimern. Wirklich trägt der Pole die dicke, kupferne Stalingradmedaille am bunten, mit Zellophan umwundenen Band. Ich war froh, als er sich vor unserer Haustür verkrümelte. Mit dem Nichtbetreten der deutschen Wohnungen wird es aber noch Weile haben, solange ein ganzer Teil der verlassenen Wohnungen, kreuz und quer zwischen unseren Behausungen gelegen, ihnen offiziell als Truppen-Unterkunft dient.
    Donnerstag, 3. Mai, mit Rest von Mittwoch
    Etwas Komisches: Während ich mit dem Polen zur Pumpe gegangen war, hatte sich Petka bei der Witwe eingefunden, mein Ex-Schänder mit dem Bürstenhaar, der Zertrümmerer unserer Nähmaschine. Offenbar war ihm aber diese trunkene Tat entfallen, denn er war, so sagt die Witwe, äußerst freundlich zu ihr. Er brachte einen schönen gelben Lederkoffer angewuchtet, so das richtige Petka-Format, ein anderer hätte ihn kaum hochgekriegt. Den Inhalt hat er vor der Witwe ausgebreitet und ihr bedeutet, sie brauche nur zu wählen, alles gehöre ihr. Dagegen »nix, nix, nix« für mich, verstanden! Na, das war natürlich bloß Gerede. Er hätte ja die Witwe niemals hindern können, nach seinem Weggang den Kram an mich weiterzuschenken. Wahrscheinlich hat er seine großartige Bescherung mir unterbreiten und damit den Versuch machen wollen, nochmals das, was er Liebe nennt, zu ergattern – mal eben schnell und zum Abschied, denn er hat zu der Witwe wirklich den Abschiedsgruß »Doswidanja« gesagt und ihr bedeutet, daß sein ganzer Haufen von dannen ziehe...
    Mit ziemlicher Selbstüberwindung hat die Witwe das Geschenk zurückgewiesen, hat Petka mitsamt seinem Koffer wieder auf die Reise geschickt. Übrigens nicht aus moralischen Hemmungen! »Wie komm' ich dazu«, meint sie, die aus gutem deutschem Bürgerhause stammt. »Meinen Koffer hat man ja auch verschleppt.« Ihre Bedenken waren rein praktischer Art. »Ich kann die Sachen ja doch nicht anziehen«, so sagt sie. »Der Koffer stammt aus einem der Häuser hier herum; und wenn ich mich in Kleidern daraus zeige, muß ich riskieren, daß ich der wirklichen Besitzerin in die Finger laufe.« Bloß zwei Paar Schuhe hat sie sich herausgefischt, da konnte sie nicht widerstehen, es war genau ihre Schuhgröße. Es sind braune Straßenschuhe, Allerweltsmuster, außerdem, so sagt die Witwe, lassen sie sich leicht schwarz kremen und sind dann gut getarnt. Sie will mir ein Paar von den Schuhen überlassen, ich könnte sie auch gebrauchen, hab nur das Paar an meinen Füßen. Leider sind die Schuhe mir zu klein.
    Den ganzen Nachmittag über war Ruhe; wir sahen keinen von unseren Bekannten mehr, weder Anatol noch Petka, Grischa, Wanja, Jascha oder den Schullehrer Andrej. Dafür erschien bei Anbruch der Dämmerung pünktlich der Major, mit seinem pummeligen usbekischen Schatten und mit noch jemand – gottlob nicht der düsterblonde Leutnant an seinem Stock. Nein, ein kleines, rotbäckiges Bürschlein in blauem Matrosenanzug, achtzehn Jahre alt, Sowjetmarine. Es scheint, daß sie Berlin auch vom Wasser her erobert haben. Seen haben wir ja genug. Das Matröslein sieht aus wie ein Schuljunge und lächelt treuherzig über beide Backen, als er mich halblaut fragt, ob er mich um etwas bitten dürfe.
    Bitte sehr! Und ich winke ihn zum Fenster hin, durch das noch immer Brandgeruch hereinweht. Der Matrose ersucht mich dann höflich, ganz kindlich, ich möchte doch so gut sein und ihm ein Mädchen besorgen – aber ein sauberes und ordentliches müßte es sein, ein gutes und liebes – er würde ihm auch zu essen bringen.
    Ich starre den Knaben an, habe Mühe, nicht mit Gelächter herauszuplatzen. Das ist denn doch die Höhe. Jetzt fordern sie von ihren besiegten Lustobjekten bereits Sauberkeit und Bravheit und einen edlen Charakter! Fehlt bloß noch ein polizeiliches Führungszeugnis, ehe man sich für sie hinlegen darf! Aber der Kleine blickt so hoffnungsfroh drein, hat die so zarte Haut eines guten Mutterkindes, daß ich ihm nicht böse sein kann. Ich schüttle also mit dem nötigen Bedauern mein Haupt, sage ihm, daß ich erst seit kurzer Zeit in diesem Hause wohne, kaum Leute kenne und ihm

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