Eine Frau mit Geheimnis
Absichten des Duke auszukundschaften. Vorerst werden Sie stets in der Nähe unseres illustren Verbindungsoffiziers bleiben, Alexej Iwanowitsch.“
Unwillkürlich schluckte sie. Die Nähe des Duke zu spüren – das beunruhigte sie über alle Maßen. Immer wieder schien er ihren klaren Verstand zu beeinträchtigen, auf den sie so stolz war.
„Und jetzt gehen Sie am besten wieder zu den anderen. Die dürfen nicht merken, was Sie machen, Alexej Iwanowitsch. Wenn der Alkohol die Zunge der Offiziere lockert, reden sie zu viel.“
„Natürlich, Sir.“ Alex versuchte zu vergessen, dass sie im Empfangsraum bereits einen Fehler begangen hatte. „Hat der Zar schon entschieden, ob er morgen früh ausreiten will?“
„Das wird er vermutlich tun. Begleiten Sie ihn?“
„Selbstverständlich, Major.“
„Sehr gut. Hoffentlich wird sich auch der Duke anschließen.“
Beinahe hoffte sie, Calder würde nicht erscheinen und ihr so eine weitere schwierige Begegnung ersparen. Doch dann siegte ihr Pflichtgefühl. Sie würde ihr Bestes tun, um herauszufinden, was er plante. Verglichen mit der Loyalität, die sie Seiner Kaiserlichen Majestät schuldete, spielten ihre persönlichen Gefühle keine Rolle.
„Lassen Sie sich warnen, Alexej Iwanowitsch. Allzu eng sollten Sie sich nicht mit Calder anfreunden. Er ist ein mächtiger Mann. Und nach allem, was ich höre, ziemlich skrupellos. Also nehmen Sie sich in Acht.“
Welch ein guter Rat, dachte Alex. Leider zu spät …
Erst in ihrem Schlafzimmer begann sie sich zu entspannen. Sorgsam legte sie ihren Tschako und die Handschuhe auf eine Kommode neben der Tür. Dann schnallte sie den Waffengurt mit dem Säbel ab und zog den Uniformrock aus.
Welch ein Tag war das gewesen! Welch ein Abend! Und der Besuch des Zaren in London hatte eben erst begonnen. Wochenlang würde sie den Monarchen begleiten müssen. Und der Duke of Calder würde stets in ihrer Nähe bleiben. Wie ein böser Schatten … Nein, so schlecht durfte sie nicht von ihm denken. Sie war sicher – fast sicher –, dass er keine bösen Absichten hegte. Zumindest nicht, was sie betraf. Er begegnete ihr wie ein Bruder. Da gab es nur ein Problem – seine brüderliche Fürsorge missfiel ihr. Er war ein Mann, der ihren Puls beschleunigte, dem sie als Frau gegenübertreten wollte, nicht als Husarenhauptmann. Verwundert schüttelte sie den Kopf. Wie kam sie auf so merkwürdige Gedanken? Über die Gefühle zwischen Männern und Frauen wusste sie nichts. War dies die Leidenschaft, die Lust, die ihre Kameraden so oft übermannte?
Seufzend sank sie auf das Bett und schloss die Augen. Wieso war es dem Duke gelungen, solche Emotionen in ihr zu wecken? Nie zuvor hatte sie die Anziehungskraft eines Mannes gespürt. Für ihre Kameraden empfand sie nur freundschaftliche Gefühle.
Warum weckte der Duke ganz andere Emotionen? Obwohl er ihr eben erst begegnet war, glaubte sie ihn schon ewig lange zu kennen. Als wäre er ein Teil von ihr und sie von ihm – als wären sie füreinander bestimmt …
Unsinn! Und unmöglich! Solche Hirngespinste musste sie vergessen. Er war ein englischer Duke. Nur die königliche Familie stand über ihm. Und sie war die Tochter eines Russen von niederem Adel – eine Frau, die in Russland nichts zählte, nicht einmal entscheiden durfte, wen sie heiraten würde. Und da sie aus ihrem Vaterhaus geflohen war und sich in einen Soldaten verwandelt hatte, würde sie sich keinesfalls zur Duchess of Calder eignen.
Sie öffnete die Augen und versuchte sich zu konzentrieren. Als sie sich bewegte, blieben ihre Sporen in der Bettdecke hängen, das Geräusch eines Risses holte sie in die Realität zurück.
Erschrocken setzte sie sich auf. „Alexej Iwanowitsch Alexandrow“, flüsterte sie dem Mahagonibettpfosten zu, „du magst ein tapferer Soldat sein, aber du bist eine hoffnungslose Närrin, wenn es um Männer geht. Vor allem, was diesen Mann betrifft. Er ist ein Ausländer. Möglicherweise sogar ein gefährlicher Ausländer. In den nächsten Wochen musst du seine Gesellschaft verkraften. Das ist alles, was von dir verlangt wird. Deshalb wirst du dich zusammenreißen. Wenn du ihm verrätst, wer du wirklich bist, wird er vor dir zurückschrecken. Und du wärst ruiniert, eine verwerfliche Frau in der Uniform eines Mannes. Zweifellos wird man dich unehrenhaft aus dem Heer entlassen und ins Haus deines Vaters zurückschicken. Das musst du dir stets vor Augen führen, Alexej Iwanowitsch Alexandrow!“
Erbost löste sie
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