Eine Frau mit Geheimnis
Fall durfte sie während dieser Reise ihre Selbstkontrolle verlieren. So verlockend wäre es, mit Dominic zu plaudern, auf die alte freundschaftliche Art. Doch dabei würde sie womöglich einen Fehler begehen, der ihr Leben zerstören könnte. Deshalb war Schweigen – sogar ein unhöfliches Schweigen – viel erstrebenswerter.
Wenn er Fragen stellte, würde sie einfach behaupten, sie wäre am vergangenen Abend berauscht gewesen.
Und das wäre die reine Wahrheit.
13. KAPITEL
In Commissioner Greys Residenz am Hafen von Portsmouth starrte Alex aus dem Fenster. Wie sollte sie Dominic weiterhin aus dem Weg gehen?
Drei Tage lang war es ihr gelungen, sogar auf dem Landsitz des Premierministers, weil Dominic keinen Wert auf Gesellschaft gelegt hatte. Meistens war er ihr grüblerisch und in sich gekehrt erschienen. Eine innere Stimme flüsterte ihr immer wieder zu: Betrauert er den Verlust seiner schottischen Lady? Diese Hoffnung entschädigte sie ein wenig für ihren eigenen Kummer, ermutigte sie aber nicht, seine Nähe zu suchen. Denn das wäre zu gefährlich gewesen. Doch sie hätte gern herausgefunden, was er wirklich von ihr hielt.
Einige Offiziere hatten ihn wegen seiner schlechten Laune gehänselt. Lachend hatte er den Kopf geschüttelt und behauptet, seine Melancholie würde einfach nur mit zu reichlichem Brandy-Genuss und schlaflosen Nächten zusammenhängen. Nun, vielleicht stimmte das.
„Alexej Iwanowitsch, ich muss Ihnen gratulieren.“
Erschrocken zuckte sie zusammen. Wieder einmal hatte sie seine Schritte nicht gehört. Sie presste die bebenden Hände an ihre Hüften und drehte sich zu ihm um. „Mir, Calder?“, würgte sie hervor.
„Wie ich von Major Zass erfuhr, haben Sie gestern den ganzen Tag an Bord der Impregnable verbracht, ohne sich unwohl zu fühlen. Offenbar gewöhnen Sie sich an das schaukelnde Schiff.“
Alex schnitt eine Grimasse. „Vermutlich haben Sie nicht gemerkt, dass die See gestern völlig ruhig war. Und die Im pregnable lag vor Anker.“
Lächelnd nickte er. Seine gute Laune war endlich zurückgekehrt. In ihrer Gesellschaft …
„Verzeihen Sie mir“, bat er. „Ein so heikles Thema hätte ich nicht anschneiden dürfen.“
„Allerdings nicht“, erwiderte sie und nahm sich ein Beispiel an seinem fröhlichen Ton – entschlossen, diese Stimmung beizubehalten, obwohl es in ihrem Herzen anders aussah. Noch eine Erinnerung, die sie wie einen kostbaren Schatz hüten würde … „Zweifellos wissen Sie, dass wir auch heute fast den ganzen Tag an Bord zubringen werden. Und diesmal wird die Impregnable nicht vor Anker liegen.“
„Versuchen Sie’s mal mit Rum. Darauf schwören die Seemänner. Dieses Hilfsmittel soll sogar besser wirken als mein Ingwergebräu.“
Seufzend verdrehte Alex die Augen. Jetzt hänselte er sie erneut. Ja, zweifellos war er wieder der alte Dominic, der ihr wie einem Freund begegnete. Das beglückte sie. Und sie war traurig zugleich, weil er niemals eine Gelegenheit finden würde, keinen Freund, sondern eine begehrenswerte Frau in ihr zu sehen.
„Falls Sie keinen Rum mögen“, fuhr er fort, „habe ich Kapitän Wood die Zutaten für mein Ingwergetränk gegeben.“ Er zog seine Uhr aus der Tasche und warf einen Blick darauf. „Jetzt sollten wir aufbrechen, Alexej Iwanowitsch. Wie ich annehme, wird Seine Kaiserliche Majestät bald von seinem Besuch der Werft zurückkehren.“
Während sie fast so unbefangen plauderten wie am Anfang ihrer Bekanntschaft, wanderten sie zu den King’s Stairs und zu dem wartenden Schiff.
Ein starker Wind wühlte die See auf. Aber Alex erreichte das Deck des großen Kriegsschiffs, ohne sich zu blamieren. Von der Reling aus sah sie die Flotte, die sich eine Meile lang vor dem Hintergrund der Isle of Wight erstreckte. Sobald der Zar an Bord kam, hallten Salutschüsse über das Wasser. Angeführt von der Jacht des Prinzregenten, der Royal Sover eign, segelte die Flotte auf das offene Meer hinaus.
Wenige Minuten nach seiner Ankunft verschwand der Zar unter Deck, um die Inspektion des Schiffs fortzusetzen, die am Vortag begonnen hatte. Anscheinend war seine Neugier, die militärischen Belangen galt, unersättlich.
„Bleiben Sie an Deck, Alexej Iwanowitsch“, sagte Zass, bevor er Seiner Kaiserlichen Majestät folgte. „Vorerst soll ein anderer Offizier Ihre Pflichten übernehmen.“
„Danke, Major“, antwortete Alex erleichtert.
„Begleiten Sie uns, Sir?“, bat der Hauptadjutant den Duke. „Vielleicht benötigt
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