Eine Frau mit Geheimnis
konnte nichts mehr tun. Endlich hatte er die Richtige gefunden, eine vollkommene Frau. Und sie war spurlos verschwunden. So wie das Mädchen im brennenden Stall …
Eine Hand umfasste seine Schulter. „Was, ganz allein, Dom?“
Er drehte sich um und sah sich Jack gegenüber, seinem Bruder im Mr. Punch-Kostüm.
„Soeben hat Leo mir erzählt, du seist von einer zauberhaften Dame betört worden. Genau das Amüsement, das man von einem Maskenball erwartet. Was hast du mit ihr gemacht? Oder hat sie einen charmanteren Galan gefunden?“
„Sie ist weg“, murmelte Dominic.
Verblüfft stieß Jack einen leisen Pfiff aus. „Ist sie einfach davongelaufen? Und das hat sie dem grandiosen Duke of Calder angetan? Oder wusste sie vielleicht gar nicht, wer du bist?“
„Bitte, Jack, ich wäre dir sehr dankbar, wenn du das Thema fallen lassen würdest.“
„Schon gut. Ich wundere mich nur … Hat sie zufällig einen gläsernen Pantoffel auf der Treppe verloren, als sie die Flucht ergriff?“
„Was?“
„Ach, du meine Güte, Dominic! Bist du so ahnungslos? Sogar du müsstest das Märchen vom Aschenputtel kennen.“
„Mach dich über jemand anderen lustig!“, fauchte Dominic.
Hinter der Mr. Punch-Maske war Jacks Miene nicht zu erkennen. Aber er verneigte sich formvollendet und schlenderte in die Richtung des Raums, wo das Souper eingenommen wurde. Nur von Dienstboten umgeben, blieb Dominic in der Eingangshalle zurück. Am liebsten hätte er seinen Säbel gezückt und den nächstbesten leblosen Gegenstand zerfetzt.
Seine Alexandra – sein Aschenputtel – war verschwunden. Doch sie hatte keinen einzigen Hinweis hinterlassen, der ihm helfen würde, sie aufzuspüren.
Endlich in Sicherheit …
Alex verriegelte die Tür ihres Schlafzimmers. An das Holz gelehnt, wartete sie, bis sich ihre heftigen Atemzüge verlangsamten. Zum Glück hatte keiner der Ballgäste ihre Flucht beobachtet. Also würde Dominic nicht wissen, wo er nach ihr suchen sollte. Ohne ein Abschiedswort hatte sie ihn verlassen. Was war ihr anderes übrig geblieben? Um sich in Alexandrow zurückzuverwandeln, war sie dem Mann davongelaufen, den sie liebte.
Seufzend ließ sie ihren Fächer und dann die Perücke zu Boden fallen. Ihre Kopfhaut begann zu jucken, und sie zog die Handschuhe aus. Mit allen Fingern strich sie durch ihr kurzes Haar.
Als sie ihr Spiegelbild sah, lachte sie unwillkürlich. Doch es klang freudlos. Ohne die Lockenperücke sah sie genauso aus, wie man sich einen Mann vorstellte, der sich mithilfe von Schminke und Puder und einem altmodischen Kostüm in eine Frau verwandelte. Sie zerrte an der Verschnürung ihres Kleids. Aber ihre zitternden Finger vermochten den Knoten nicht zu lösen. Schließlich ergriff sie ihren Dolch und schlitzte das Oberteil von oben bis unten auf.
Das wollte er tun. Und aus Rücksicht auf deine Ehre hat er darauf verzichtet …
Fluchend riss sie sich das Kleid vom Leib, den Unterrock und den Reifrock. Schließlich stand sie in ihrem Hemd und einem schlampig verschnürten Korsett vor dem Spiegel.
Sie umfasste den Dolch erneut. Aber dann legte sie ihn beiseite. Irgendetwas ließ sie zögern. Eine Nacht lang war sie eine Frau – und mit dem Mann zusammen gewesen, den sie liebte. Vorher hatte sie nicht geahnt, wie schmerzlich es sein würde, das Glück zu beenden. Sie hob die Perücke vom Boden auf, zog sie wieder über ihren Kopf und arrangierte die Locken auf ihrer Schulter.
So hatte er sie gesehen, bei jener ersten Begegnung in dem Zimmer mit den exotischen Pflanzen. Sie griff nach dem Dolch, zog die Bänder langsam aus den Ösen des Korsetts. So wie es Dominic getan hatte.
Lange dauerte es nicht, bis das Korsett am Boden landete. Dann streifte sie das Hemd ab und schaute in den Spiegel, starrte den nackten Körper einer verzweifelten Frau an, die nur mehr Seidenstrümpfe, hellgrüne Schnallenschuhe und eine gepuderte Perücke trug.
Irgendwie sah sie anders aus. Um ihre Brüste zu verbergen, hatte sie niemals ein Hilfsmittel gebraucht. Aber jetzt wirkten sie größer. Stolz und rosig richteten sich die Knospen, als wollten sie die liebevolle Aufmerksamkeit demonstrieren, die sie genossen hatten. An einer Stelle zeigte sich ein leichter Abdruck von Dominics Zähnen. Bald würde er verblassen – so wie seine Erinnerung an sie.
Und ich? Nein, niemals würde sie diese Nacht vergessen – und die Erinnerungen für immer an ihrem Herzen tragen.
Etwas anderes durfte sie sich nicht gönnen.
„Guten
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