Eine Frau mit Geheimnis
Major.“
„Außerdem habe ich eine Überraschung für Sie, Alexej Iwanowitsch.“
„Tatsächlich?“
Grinsend nickte er. „Aber es wäre keine Überraschung, wenn ich darüber reden würde.“ Inzwischen hatten sie einen Nebenraum betreten, wo er sich verwirrt umsah. Offenbar hatte er geglaubt, hier würde er seine Frau antreffen. Und nun war sie verschwunden. „Verdammt, wo um alles in der Welt steckt sie denn?“
Hinter ihnen sagte eine Stimme in akzentfreiem Französisch: „Falls Sie Ihre Frau suchen, Major, sie hat mich gebeten, Ihnen mitzuteilen, sie würde frische Luft im Garten schnappen. Darf ich Sie zu ihr führen?“
Eine unverwechselbare Stimme … Die Stimme, die Alex in ihren Träumen verfolgte, seit der Abreise aus Dover – die Stimme, nach der sie sich inbrünstig sehnte. Jeden Tag hatte sie gewünscht, sie könnte sie noch ein einziges Mal hören. O Gott, er war hier! Und jetzt, wo sie sich nur umdrehen musste, um das geliebte Gesicht wiederzusehen, wusste sie nicht, ob sie es wagen durfte. Alles in ihr drängte zur Flucht. Doch das war unmöglich.
Nur Mut! Tritt ihm gegenüber, so wie du dich deinen Feinden ge stellt hast!
Und so wandte sie sich zu ihm und zwang ein Lächeln auf ihre Lippen. „Oh, guten Abend, Calder. Welch eine nette Überraschung, Sie hier in St. Petersburg wiederzusehen! Welchem Umstand verdanken wir diese Ehre?“
„Guten Abend, Alexej Iwanowitsch.“ Einen sonderbaren Ausdruck in den Augen, erwiderte er ihr Lächeln. Und dann nahm er sie in die Arme und küsste sie auf beide Wangen.
Diesmal streiften seine Lippen nicht nur die Luft.
17. KAPITEL
Arme Alexandra … Natürlich war sie nicht darauf vorbereitet gewesen, ihm in Wolkonskijs Residenz zu begegnen. Und seine Küsse hatten ihr die Sprache verschlagen. Dominic unterdrückte ein Lächeln. Obwohl sie ihn zum Narren gehalten hatte, zürnte er nicht allzu sehr. Aber wenn sie eine Strafe verdiente – die verbüßte sie jetzt. Für sie war die Umarmung ein Schock gewesen, für ihn eine Offenbarung. Die Frau, die er so heiß begehrte, endlich wieder an seiner Brust zu spüren … Beinahe überwältigten ihn seine Gefühle. Doch er hatte sich sofort wieder unter Kontrolle.
Sie benahm sich erstaunlich tapfer. Gewiss, das Blut war ihr in die Wangen gestiegen. Diese typisch weibliche Neigung, ständig zu erröten, hätte ihm schon früher auffallen müssen. Aber er hatte sie einfach nur, wie alle anderen, für einen schüchternen jungen Mann gehalten, der leicht in Verlegenheit geriet. Da sie einen Kavallerieoffizier mimte, musste ihr das furchtbar peinlich sein.
Bisher hatten sie nur Höflichkeitsfloskeln gewechselt. Sie wurde Madame Zass vorgestellt, dann unterhielten sie sich über Alexandras militärischen Pflichten in St. Petersburg und ihren Besuch in der Eremitage. Schließlich wollte Dominic ihr einen Spaziergang im Garten vorschlagen. Dazu fand er keine Gelegenheit, weil Fürst Wolkonskij erschien und sie beiseite führte.
Was hat der Hofmarschall des Zaren mit ihr zu besprechen, fragte sich Dominic. Wollte er sie wieder einmal beauftragen, den Duke of Calder auszuhorchen? Nun, das spielte keine Rolle. Sie würden einander einiges gestehen. Bald. Und diese Geständnisse, gefolgt von einer Versöhnung, würden sehr erfreulich verlaufen. In Castlereaghs Auftrag war er nach Russland gereist, um am St. Petersburger Hof für die englische Regierung zu spionieren. Das hatte er nicht vor. Sollten ihm zufällig interessante Informationen zu Ohren kommen, würde er sie dem britischen Botschafter mitteilen. Aber in erster Linie würde er sich mit der reizvollen, mysteriösen Alexandra beschäftigen.
„In der Tat, Exzellenz, ich war sehr überrascht, als ich dem Duke of Calder gegenüberstand. Was hat ihn nach St. Petersburg geführt?“ Alex gewann eben erst ihre Fassung wieder. Dabei half ihr die geschlossene Tür, die sie von Dominic trennte.
Der Fürst wühlte in den Papieren auf seinem Mahagonischreibtisch. „Ah, eine gute Frage, Alexej Iwanowitsch“, meinte er und blickte auf. „Der Duke behauptet, er folge einer Einladung des Zaren. Sicher, das könnte stimmen. Allerdings bezweifle ich, dass er sich eine Vergnügungsreise gönnt.“
Die Stirn gerunzelt, überlegte Alex, ob Dominic auch hier als Spion fungieren würde, so wie in London.
Endlich fand Wolkonskij die gesuchten Papiere, wandte sich wieder zu ihr und fragte in väterlichem Ton: „Haben Sie eine Entscheidung getroffen, Alexej
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